franz und ich schlafen im gleichen doppelbett fast wie ein ehepaar und stehen dann kurz vor elf auf. um elf müssen wir die wohnung verlassen. martin ist schon seit stunden wach und wir packen zackzack unser zeugs zusammen und stehen mit rucksack wieder auf der strasse. vor dem pilgerbüro für die credencial ist schon eine riesenschlange und so vertagen wir das holen der urkunde auf später. es lag auf den weg aber ist überhaupt nicht eilig. wir laufen zurück zur altstadt, wieder über die plaza. es ist etwa gleich spät wie gestern. tag für tag würde eine neue generation von pilgernden hier ankommen. jeder und jede hat seine geschichten, freundschaften und emotionen, welche auf dem weg entstanden sind. tag für tag. und so lebt der pilgerweg fort. heute kennen wir keine einzige person der neuankömmlingen. schon verrückt.
wir sitzen an den gleichen tisch wo wir gestern weisswein getrunken hatten vor dem mittagessen. als wollten wir die zeit nochmals zurückdrehen und den tag durchleben. die altstadt hat hunderte von bars und tischen doch martin wollte genau hierher wieder zurück. es wäre was sentimentales. beim kaffee überlegen wir alle, wie es weitergehen soll. eine grosse leere macht sich breit. wohin nun? martin hat morgen seinen flug nach milano. er würde heute irgendwie versuchen nach finisterre zu kommen. und franz und ich? mich schmerzt der gedanke, jetzt schon fortzugehen. will erstmal noch durchatmen. den moment setzen lassen. santiago und den camino francés. bevor es weiter an die atlantikküste gehen würde. franz? hat die schnauze voll von der stadt wie er meint. wieso weiss er auch nicht. „zu viele deutsche?“ frage ich ich ihn lachend und er bekommt allein schon beim gedanken wieder einen zornig roten kopf!! wir haben aber nicht viele pläne. doch die betten würden knapp werden. nur hundert meter neben unserem tisch hole ich mir das letzte bett in einer alberge mitten in der altstadt. besser könnte es nicht sein. meine unruhe verblasst damit langsam, da eine entscheidung für heute getroffen wurde. franz ist noch unschlüssig.
wir laufen zu dritt runter in die neustadt. franz ist grimmig drauf und hat einen riesenkater. zu viel ribeira gestern. er will jetzt unbedingt in den burger king und ich rate deutlich davon ab, kann die gruppe aber nicht umüberzeugen und wir landen zu dritt im burger king in santiago de compostela. die beiden jungs bestellen ihr menü als wären sie im autopilot und ich würde dem ganzen einen versuch geben. ein paar schulkinder sitzen neben uns. allgemein sitzen bei burger king und mcdonalds ja eigentlich nur pubertierende 16 jährige kinder. martin meint sein essen schmeckt wie karton und er predigt meine zuvor warnenden gedanken! danke martin. du wolltest ja nicht hören.
wir begleiten martin zum busbahnhof. hier würde sein „blablacar“ nach finisterre fahren. für sieben euro. bin noch nie blablacar gefahren. fahre aber für das auch zu ungern auto. wir nehmen abschied von martin. und wir versprechen ihm, dass wir noch nächstes jahr oder übernächstes nach mexiko reisen werden und ihn besuchen kommen wenn er da wäre. und er würde uns alles mögliche dort zeigen. es klingt fantastisch. jetzt wäre unsere unglaubliche reise zu dritt also vorerst vorbei. martin und franz und ich. martin läuft runter zum busbahnhof. franz und ich bleiben zurück im café vor dem bahnhof. eine leere tut sich auf. die leere nach einem abschied. wir schauen uns fragend an. und was jetzt?? franz hat noch immer keinen plan. mich ziehts zurück zur altstadt. ich lasse also franz und seine entscheidungen alleine. wir würden uns sicherlich auf dem weg nach finisterre oder muxia wiedersehen.
zurück in den altstadtgassen setze ich mich im schatten auf die strasse in ein cafe. die letzten tage waren wieder intensiv und es fühlt sich gerade komisch, aber gleichzeitig auch grandios an, hier alleine zu sitzen. nehme mein notizbuch hervor und setze einige gedanken auf papier. die mexikanerin von san bruno läuft vorbei und wir schwatzen kurz. später trudeln dati und thomas durch. torte de queso bestelle ich dann. hier auf dem camino habe ich die torta de queso (cheesecake) wohl ähnlich viel durchprobiert wie die tortilla. jedesmal war sie anders! jedesmal schmeckte sie sehr verschieden!
laufe wieder über die plaza und zum pilgerbüro und hole mir meine credencial. das ganze ist hier wie in einem postschalter. man hat eine nummer und geht an den schalter der auf einem bildschirm angezeigt wird für die gezogene nummer. in unter einer minute überreicht mir der mann unter der maske meine credencial. von saint jean sind das fast 800 km.
nach diesem heissen tag aber jetzt mal eine ordentliche dusche. laufe zurück zu meiner herberge. und gönne mir eine heisse dusche! auch die duschen sind etwa so unterschiedlich wie die tortillas die ich gegessen habe. keine ist gleich!
setze mich auf die nebenplaza von santiago. die zweitgrösste plaza. sie wirkt für mich fast gröser. oder zumindest gleich gross. mit ausblick auf den dritten turm, der ebenfalls zur kathedrale gehört. hier setze ich mich an die noch von der sonne gewärmten steinmauer. obwohl die sonne schon unten ist. schöne stimmung hier. ich denke hier viel und sicher eine stunde über die spanische kultur nach und was ich an ihr zu hause vermisse. was ich eben hier und auf dem camino kriege und zu hause nicht habe
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kerem schreibt mir ob ich mit ihr abendessen mag, aber mir ist gerade eher alleine zu mute. in dieser immensen auswahl an restaurants schlendere ich nach sonnenuntergang also durch die gassen und setze mich in ein lokal, das für einmal vegetarisches essen hat! die bude ist gut belegt aber es gibt noch einen platz. der kellner setzt mich dann an einen kleinen tisch und schon vor dem absitzen stelle ich fest, dass der abend gelaufen war. ausgerechnet neben mir sitzt die esotante aus roncesvalles mit ihrem pendelstein aus guatemala. hab sie danach nie mehr wiedergesehen. das hatte mir dann aber auch gereicht. ich mag extrovertierte egozentrische menschen grundsätzlich nicht. sie ist einer dieser sorte. während ich also mein essen verspeise (welches übrigens wunderbar schmeckte) versuche ich ständig, ihr NICHT zuzuhören, was aber aufgrund ihrer lautstärke im prinzip nicht möglich war. sie laberte die ganze zeit über ihre emotionen auf dem camino und vor allem über ihre emotionen mit begegnungen mit anderen frauen. und sie lästerte über andere bekanntschaften ab. ihrer begleiterin schneidete sie dann einfach eiskalt ständig das wort ab, so dass sie quasi den ganzen abend im monolog vor sich her redete. ich kann ihre stimme nicht mehr ausstehen und überlege hier einfach mein essen runterzuschletzen und mich zu verziehen. ich probier es dann aber mit lesestoff und das klappte dann nicht schlecht! möchte die aber auf keinen fall wiedersehen. keine einzige sekunde. ihr gequietsche und herumnörgeln hat mir heute abend für allemal gereicht. zahle und laufe zurück zur herberge. morgen würde ich kurz nach sonnenaufgang starten und 25 bis 30km gen westen weiterlaufen. der atlantik ruft! adios santiago.