trister tag heute! als ich mein zelt abbaue ist die russin schon fast fertig damit. es ist spät heute morgen, so acht uhr vielleicht. aber bei dem regen habe ich keine lust zu laufen. und ich spüre nach dem losmarsch das gewicht meines rucksacks als wäre es der erste tag in saint jean! was geht?? nun, die wäsche von gestern ist nicht getrocknet und das zelt ist nass. würde das so viel ausmachen? das gewicht ist wirklich enorm. ich muss mein tempo drosseln und spüre meine oberschenkel und die hüften als wäre es jetzt schon ein muskelkater.
bin sichtlich demotiviert. es regnet leicht und durch die nebelschwaden sehe ich nicht weit. laufe durch die saftiggrüne und nasse landschaft vorbei an steinigen bauernhäuser. könnte das tessin sein hier. sieht genau gleich aus. auch mit den dichten wäldern die ich in der ferne erkenne.
von rechts überholt mich plötzlich ein pilger mit rotem regenponcho. es ist gefühlt der hunderste pilgernde der mich heute morgen überholt und ich denke mir nicht viel dabei. dann grinst er zu mir rüber. es ist martin! ach! ein kleiner aufmunterer. wir laufen zusammen weiter und quatschen und fragen eine bäuerin nach der nächsten bar. gibts nicht. erst in 4 kilometern. aber es gäbe einen snackautomaten! wir erreichen den unterstand und setzen und unter das dach. unser bargeld reicht für eine schokomilch und eine geteilte napolitana. schmeckt scheusslich. aber immerhin. wir sitzen auf der bank und reden nicht viel. hören dem tropfen zu. und schauen dem tropfen zu. denke nicht viel in dem moment. keine lust. da taucht ein pilger auf, dessen schnauz wir beide nur allzu gut kennen. es ist franz! der franz aus bayern. wie toll! er gesellt sich zu uns und holt sich ebenfalls eine napolitana. wir stehen zu dritt still unter dem dach. die beiden älteren schwedinnen aus torres del rio stehen plötzlich vor uns. und wir übergeben den unterstand und laufen gemeinsam weiter unter dem regen.
eine abzweigung taucht auf, welche zum „haus der alchimisten“ führt. uuuuhh. klingt mystisch. weil wir nichts anderes zu tun haben und eh schon durchweicht vom regen und gelangweilt sind, beschliessen wir den umweg zu gehen. wir laufen eine asphaltstrasse entlang. da tauchen doug und paco auf! die beiden scheinen aber etwas durch den wind zu sein. wir laufen weiter. nach einigen metern giulia und francesco und die brasilianerin. auch durch den wind. laufen weiter. rosa und ale! noch mehr durch den wind. haben wohl alle einfach keine lust heute. laufen weiter. alles bekannte gesichter. sie alle hatte es auch ins haus der alchimisten geführt. und das würde uns auch alle verbinden. nicht so gehetzt zum tagesetappenziel zu wandern sondern den weg als ziel zu sehen. wir wären ganz im moment. und hatten dadurch die gelegenheit für neue bekanntschaften und tiefe freundschaften überhaupt erst ermöglicht.
das haus der alchimisten war dann eigentlich ein hippie-aussteiger-haus. ein paar künstler leben hier und stellen ihre trippigen kunstwerke aus. wir setzen uns draussen. der eine künstler kommt raus und bietet uns kaffee an. wir nehmen dankend an! und reden über kunst und drogen und allerlei. es ist gerade vollkommen egal wie spät es ist oder wie viel heute noch zu machen wäre. ale hat ihre stöcke hier vergessen und ich packe sie in meinen rucksack. die dame vergisst aber auch überall ihre stöcke. wir laufen weiter durch den regen.
nach einigem auf und ab geht der weg endlich definitiv talabwärts. sarria könnte nicht mehr weit sein! wir beschliessen rast zu machen. und bestellen hamburgesa und ein kühles bier! wenige minuten später kommt eine riesenhorde an schulkindern. so 16 jahre alt vielleicht. hochpubertierend. wildes chaos beim bestellen! ganz andere atmosphäre als bei einem ausflug in der schweiz einer gleichaltrigen schulklasse wenn ich so zurückdenke. ist aber vielleicht auch mein empfinden. ob die kids mit uns bis nach santiago kommen? hoffentlich nicht.
noch 7 kilometer bis sarria. ein klaks! wir machen uns auf den weg. sarria kommt! wir sehen es in weiter ferne. und nehmen bei der ankunft schon vor der ersten herberge halt. anja kommt dazu, eine deutsche bekanntschaft von franz. blond, sehr gross, ist erst in léon gestartet. und die beiden russinen, adelina und svetlana! letztere gehen jedoch weiter. anja schnappt sich mit uns ein viererzimer in der sympatischen herberge.
stelle meine nassen kleider und das nasse zelt draussen auf. es regnet leicht aber nasser werden können die kleider nicht und ich hoffe auf ein aufhören des regens später! der bärtige typ aus barcelona ist auch hier aber wir konnten noch immer nicht so richtig anknüpfen bisher. quatschen also nicht viel. grosser hunger! es ist 17 uhr. ich gehe ich die stadt rein und will mir was zu futtern holen. ungünstigste zeit jedoch in spanien. küchen alle zu, tortillas alle aufgefuttert. bleibt nur noch der supermercado.
setze mich dann nach dem zvieri in ein cafe. und bekomme den besten americano auf dem camino bisher. nett! danach bin ich ganz kribbelig und rufe lynn nach berlin an und bin ganz erfreut, nach einem ganzen monat stille endlich mal wieder ihre stimme zu hören! so so schön. lynn geht dann aber in die massage und ich laufe nach dem telefonat zurück zur herberge. von franz und martin und anja keine spur! telefoniere nochmals eine schöne weile mit lynn und wir quatschen über gott und die welt und poltik und wann wir uns wiedersehen würden! ach so lange bin ich noch unterwegs. die dämmerung bricht dann an und ich hole meine unterdessen halbgetrocknete wäsche zusammen und muss mir was zu abendessen holen bevor mich die herberge aussperrt.
heute abend mal alleine abend essen! hatte ich das jemals? logroño war ich auch alleine aber nur fürs mittagessen! premiere? ich sitze in eines der nächsten restaurants und finde, sarría ist eine gänzlich hässliche stadt. schaue beim essen dann MTV im fernsehen. 2000er pop lieder. kenne jedes einzelne. war halt auch meine zeit der poplieder.
bin zu müde um die gruppe jetzt noch in der stadt zu suchen. hab keine handynummern und so würden wir uns erst morgen früh wieder sehen. gehe also schon nach zehn ins bettlein