wir stehen später auf, weil die idee gestern da war, den sonnenaufgang auf dem cruz de ferro anzuschauen. so laufen wir also erst um etwa halb acht morgens los. rosa und alex sind auch dabei. dicker nebel umhüllt uns in der dämmerung. wir sehen nicht weit und so wird es auch keinen sonnenaufgang geben später. der weg hoch zum gipfel ist nicht lang und in einer knappen halben stunde erreichen wir den gipfel. eher eine flache ebene. und mitten auf der flachen ebene gibt es einen kieshaufen. das cruz de ferro. hatte es mir etwas romantischer vorgestellt. und viel grösser! so viele steine wie kerkeling beschrieben hat sind hier gar nicht. dafür umso mehr menschen. allerlei gesichter aus foncebadon.
cruz de ferro wird als einer der spirituellsten orte des caminos beschrieben und ist derjenige ort, an dem ein mitgebrachter stein von zu hause am fuss eines eisernen kreuzes deponiert wird. francesco sprach schon tage zuvor davon und wurde gestern abend sehr emotional darüber. letzte woche hatte er tränen vergossen als wir zusammen durch die meseta liefen und etwas redeten. seine hündin wurde 18 jahre alt und war für ihn seine einzige richtige familie. er erzählte uns nicht viel darüber, aber seine familienverhältnisse scheinen nicht enfach gewesen zu sein (und sind es wohl noch immer nicht), wie er meinte. durch den tod seiner hündin hat er das wertvollste und nächste lebewesen in seinem leben verloren und er würde heute am cruz de ferro ihr halsband hier deponieren. ich sehe vor mir viele menschen überall verstreut stehend und kauernd und sitzend. einige weinen, viele schauen auf den boden oder hoch in den himmel.
ich packe meinen stein aus den ich seit der abreise im gepäck habe. ein fluvial geprägter quarzstein. keine ahnung von wo, aber er lag schon seit geraumer weile in meiner wohnung auf dem bücherregal herum. nun würde dieser stein also hier sein weiteres leben fortsetzen. ich grabe ihn zwischen die anderen steine in das meer der steine. und hoffe auf einen moment der erleuchtung oder sentimentalität. rosa und alex hatte ich beim aufstieg erzählt, dass ich das grosse glück in meinem leben habe, nicht viel balast zu haben. hätte kein bedrückendes oder schwierig zu verarbeitendes erlebnis welches ich hier loslassen möchte. ging alles prima bisher. und wäre dafür sehr dankbar und würde hoffen dass dies so weitergeht. denke an jupiter und die begegnung mit maria flor. bei jupiter würde alles aufgehen. vielleicht hätte sie recht. ich schliesse also vom fehlenden spirituellen moment bisher auf dieser reise daraus, dass es entweder keine erleuchtung für mich gibt auf dem camino — oder dass ich schon erleuchtet bin.
frohen mutes trete ich mit meinem namensvetter martin den weiteren abstieg zur anderen talseite an. der weg ist wunderschön anders als alles andere was ich bisher an flora angetroffen habe auf dem camino. die nebelschwaden tauchen die ganze wanderung auf jeden fall in ein mystisches licht.
in el acebo dann frühstücken mit francesco und donovan. alex und rosa kommen dazu. paco holt sich ein glas wein und doug ein whiskey! verrückte kerle. noch bleiben vier stunden weg bis ponferrada und ich mache mich alleine weiter gen tal.
ponferrada zu erreichen wurde dann zu einem langen abstieg. nicht unbedingt körperlich beschwerlich. aber wir erreichen das städtchen erst um 16 uhr. ich beschliesse zu zelten und der mann bei der alberge empfiehlt mir das feld nebenan. war mal ein friedhof. ist es aber nun nicht mehr. warum auch nicht.
geh mir die templerburg anschauen und denke über die tempelritter und den verstecken schatz der templer nach. eine burg wie aus dem märchenbuch hier. setze mich vor ein cafe nähe burg und würde eigentlich gerne wiedermal alleine zu abend essen. bin aber hier an suboptimaler lage. franz taucht vor meiner nase auf und setzt sich. giulia und antonio kommen dazu. pi und christian ebenso! wir stossen mit wein auf die heutige etappe an. war nicht ohne. war nicht ohne! nur wenig später beschliessen wir für einmal nicht das tradtionelle „menu del peregrino“ (pilgermenü) zu nehmen, sondern gehen sushi essen!! wow. sushi halt selten so gut geschmeckt. das restaurant hat überall kleine karten mit illustrationen auf den tischen versteckt und ich sammle aus lauter spass alle ein und lasse pi meine pseudo-tarotkarten ziehen. wir machen uns danach einen riesenspass unseren mitpilgernden die karten ziehen zu lassen und ihre zukunft zu lesen. meine tarotkarten aura wird auf überraschende art gefestigt als giulia zum zweiten mal ihre karten zieht. und genau die gleichen zieht! ich verziehe keine miene und sage ich scherze nicht mit tarotkarten. die gruppe ist im bann.
stelle mein zelt dann auf dem leeren und steinigen feld auf. samstagabend. hoffe es ist weniger los hier als in pamplona, sonst krieg ich kein auge zu. keine spur der guardia civil zu sehen und so stelle ich mit meiner stirnlampe hier mitten in der stadt mein camp auf.