
wir stehen also auf und besprechen die lage neu. paco schläft noch. entweder von hier loslaufen jetzt gleich, paco schlafen lassen und zusammen mit dem auto die heutige etappen überspringen, oder aber den bus nehmen. ich wähle den bus und francesco und donovan folgen meinem plan. doug bleibt mit paco in der wohnung und wird mit dem auto fahren heute, da sein fuss wieder schmerzt heute morgen.
wir laufen durch die dunklen gassen von leon und finden uns auf der grossen busstation ein. grosses chaos hier. nichts angeschrieben. kein plan wo der bus fährt. wir fragen zahllose leute aber niemand weiss etwas. na toll. kaffee holen und erstmal warten. ein bärtiger obdachloser schnauzt uns an, weil wir den bus zu nehmen scheinen und sichtlich wie drei pilger aussehen. irgendwann verlieren donovan und francesco die geduld! sie laufen jetzt einfach mal los. wir wollten die ersten 7km überspringen, was etwa 1.5h laufzeit wäre. je länger wir hier rumwarten, desto eher kommen wir in die mittagshitze rein heute. es ist knapp 8 uhr. die männer laufen los. ich bleibe stehen.
nach einer knappen viertelstunde warten sehe ich einen zappeligen typen mit zerfetztem cowboyhut mit einem mann mit leuchtweste reden. sein hut und rucksack verraten ihn als pilger und ich laufe zu ihm rüber. er trägt ein schwarzes tshirt mit dem spruch „i love bench press!“ und hat einen grau-weiss melierten schnurrbart. schnurrbärtige männer sind ja per se schon gutaussehend und mir sympatisch. wir kommen ins gespräch und der mann kommt aus dem südtirol! wir suchen zusammen die busstation und finden sie etwa 500 meter von der eigentlichen busstation entfernt. eine spanische mutter scheint denselben bus zu nehmen also vertrauen wir auf sie. wir warten. eine gruppe von 80 jährigen grossmüttern kommt angedrudelt. wir reden mit den netten damen und haben ein sehr lustiges gespräch! wäre in der schweiz nicht möglich sowas. wie im film. herrlich hier. bus kommt dann also und wir zwei pilger steigen ein. die grossmütter bleiben an der station stehen. nach einer viertelstunde sind wir am stadtrand. fahren direkt am weg vorbei. hässlich. gute entscheidung das zu überspringen. beim ausstieg wünschen uns bestimmt ein dutzend menschen „buen camino!“. solch freundliche leute hier. und sie weisen uns direkt dahin, wo der weg weitergeht. mein begleiter ist schon losgedüst, sehe ihn in weiter ferne. der weg zweigt sich hier ab, ich nehme auch den südlichen weg und nehme mehr strecke, dafür einen weg in kauf, der nicht der hauptstrasse entlangführt die nächsten zwei tage. nach einer knappen stunde sehe ich meine neue bekanntschaft vor einer bar stehen und er fragt mich, ob wir hier kaffee trinken sollen. keine frage mein guter! wir setzen uns drinnen in die bar. und wer sitzt denn da! die junge italienergruppe mit dati! kein scheiss. hab die jetzt über drei oder vier tage nicht gesehen, zuletzt in moratinos. wie schön! sie scheinen aber im gespräch zu sein und so setzen wir zwei männer uns an den bartresen. wir reden über mexico. sitzen wohl fast eine stunde da. laufen gemeinsam weiter und plaudern noch immer über mexico. er hat ein haus da und verbringt den winter dort. ein verrücktes land. er hat schon so viele tote gesehen meinte er. einfach so, mitten auf der strasse. sein kumpel. sein nachbar. beide erschossen. wegen einer kleinigkeit. richtig krass. aber er liebt das land! wir quatschen weiter und landen irgendwann bei psychedelischen substanzen und LSD und die ganzen frosch- und schlangengifte. der mann erzählt mir von einem kaktus, dessen wirkung er mir bis ins detail erklärt. werde neugierig. gibts aber kaum in europa. mit diesem kaktus hatte er seine erste spirituelle erfahrung. und während er dies erzählt, bekommt er gänsehaut und zeigt mir dies auch deutlich. er sei noch immer voller ehrfurcht vor dieser begegnung. ein adler aus dem sandstaub in der wüste mexikos sei ihm begegnet. wir werden stiller, die hitze nimmt gerade zu auf dem camino. und während wir wieder über mexico reden, finden wir uns plötzlich vor einer bar wieder, die mitten in mexico stehen könnte. mit unseren cowboyhüten gehen wir herein und bestellen was zu knabbern. fehlen noch pistole und stiefel. die schnurrbärte haben wir schon. draussen quatschen wir mit der besitzerin, eine ältere spanierin (was denn sonst). ich frage meinen begleiter nach seinem namen, er nach meinem. „martin“, sage ich ihm. er lacht laut hinaus: „neeeeeein!! toller name“. ich verstehe nicht ganz. „ich heisse auch martin“ gibt er zurück. mein erster namensvetter auf dem camino. was für eine begegnung! mich ziehts aber weiter. noch eine stunde heute. verabschiede mich und laufe weiter. der weg führt neben einer unbefahrenen asphaltstrasse entlang. die stunde ist dann aber schnell mal um und ich bin am tagesziel angelangt. heute warens aber auch nur etwa 17km oder so. die erste alberge hat auch einen grosszügigen garten und so darf ich mein zelt dort aufstellen. setze mich in den garten und ziehe die schuhe aus. keine zwei sekunden später setzt sich die junge italogruppe von heute morgen zu mir auf die wiese. die jungs sind erst 18 und 19 jahre jung! und können nur gebrochenes englisch. sie kochen gerade spaghetti und ich schliesse mich zum mittagessen dazu! auch mein namensvetter vom vormittag trudelt genüsslich vom garten herein und möchte heute abend hier schlafen. er setzt sich gleich zu uns an den mittagstisch. ein dickerer älterer mann mit weissen, nach hinten gegelten haaren sitzt ebenfalls am tisch. kommt aus berlin. 90er sonnenbrille. cooler typ. die runde ist leider rein italienisch ausser mir und dem berliner und so verstehe ich kaum ein wort.
mache meine handwäsche und setze mich auf einen stuhl im garten, möchte schreiben. bin die tage nicht zum schreiben gekommen, war zu viel los! auf dem camino. dabei denkt man hier hätte man so viel zeit für sich. aber nur beim laufen eben meistens. die junge holländerin joe setzt sich zu mir und zündet sich eine zigarette an. wir haben uns seit eh und je immer mal wieder in den herbergen gesehen aber nie richtig kennengelernt. eine zunick-und-lächeln-bekanntschaft. so lernen wir uns also heute kennen. eine halbe stunde später kommt franz mit seinem schnauz und rotem hawaihemd angetrabt und sieht sichtlich kaputt aus. hat nur drei stunden geschlafen in leon und sei feiern gegangen. er holt sich ein bier und setzt sich zu uns. die ankunft vorhin war das zweite mal als ich franz ohne bier sah! der typ spinnt. und gleich ein grosses bier. mit kater. sicher nicht sein erstes heute auf den weg sage ich zu ihm und franz schüttelt den kopf: „nenenene“. wir sitzen eine weile da und reden über allerlei, da kommt eine horde italopilgernde! giulia, meine frühstückerin, an vorderster front zusammen mit einigen neuen gesichtern. bin ich also mittem im italokuchen gelandet heute. franz und joe verstehen von der sprache aber zum glück auch nicht viel.

valeria, eine der italienerinnen, lädt zur paella heute abend ein! sie kocht selber in der herbergsküche und wir sind voller vorfreude. dati zeigt mir ein italienische kartenspiel was auf deutsch sowas wie „vierzig“ heisst. ich verstehe relativ wenig und mein namensvetter scheint ein regelrechter könig darin zu sein, so dass er mir aushilft.
valeria ruft wenig später schon zum essen. wir stellen vier tische zusammengestellt in den garten und sitzen uns fröhlich drumrum herum. eine riesige gruppe junger menschen und selbst der franzose aus calzadilla (die herberge mit flor), ist mit uns zusammen am tisch. wir trinken wein und ich versuche was vom italienisch links und rechts und vor mir zu verstehen. martin sitzt neben mir, so habe ich zumindest einen deutschen kumpanen. aber er kann auch fliessend italienisch. ich reisse mit giulia zusammen den abwasch an. als ich zurück in den garten komme ist der ganze garten komplett leergefegt. 22 uhr. diese pilgernden sind aber auch alle frühschläfer. ein blick auf die wäscheleine. alles abgehängt ausser meins. diese verdammten streber. dann mach ich mich halt auch mal bettklar. stelle mein zelt auf. sitze dann aber noch draussen auf dem plastikstuhl und geniesse die ruhe im dunklen garten. die junge spanierin von der herberge kommt zu mir rüber und erzählt mir ein paar sachen. dann schlüpfe ich in den schlafsack.