Tag 22: Léon

kathedrale von léon in der abenddämmerung. kulturelles und historisches highlight!

flor und ich standen in etwa gleichzeitig auf und hatten uns die unteren etagenbette ausgesucht in unserem ecken der herberge. um 4 uhr hörte ich den franzosen abzischen. flor blieb noch eine weile sitzen. wir umarmnten uns herzlich und lange und ich dankte ihr für diesen wunderbaren austausch und diese begegnung gestern nachmittag. wir beliessen es aber dabei! und würden uns nicht mehr sehen, sie geht heute nach leon und wohl weiter nach ponferrada. auf jeden fall mystisch die gute dame.

laufe los ins dunkle, raus aus dem dorf und weiter eine asphaltierte strasse entlang. niemand unterwegs. gestern hatten wir zwei leute angetroffen am nachmittag auf der nördlichen route. zwei leute nur! hatte ich noch nie seit dem start in saint jean. und nur zu viert in der herberge! fühlt sich nicht mehr nach camino frances an. von weitem sehe ich ein rotes licht. muss wohl eine stirnlampe sein. ein paar autos überholen mich im dunkeln und zischen an mir vorbei. meine letzte etappe hier in der meseta. welch angenehme ruhe. auch in meinem kopf! ich bin ganz bei mir, ganz hier auf dem camino und im moment. keine sorgen, keine ängste. nur die 18km vor mir bis zum frühstück. die sonne taucht auf und zeigt sich ganz angenehm und gibt einen hauch von wärme zu dieser frühen uhrzeit. ich sehe keine wolken über mir. heute wird heiss. richtig heiss. ich werde keine pause machen und kurz nach 11 uhr in reliegos ankommen. als es heller wird, erkenne ich wer hinter dem roten licht steckt: ein älteres bleichweisses pilgerpärchen! überhole sie dann irgendwann. und der weg zieht sich in die länge. hätte jetzt gern ein käffchen. mache einen kurzen halt und esse meine zweite nektarine von gestern mit flor. höre das erste mal ein paar songs musik während dem wandern mit meinen kopfhörern und es fühlt sich ganz komisch an. und ich denke zurück an flor und den grimminge herbergentyp und den koreaner und den franzosen von der herberge! ich musste gestern zwischen den letzteren beiden übersetzen, sie konnten sich nicht verständigen. mit meinem französisch. dauerte eine weile.

komme dann unter der steigenden hitze in reliegos an. und suche mir die nächste bar. keine bar zu beginn. suche weiter und siehe da, zu beginn des dorfes vom südlichen weg kommen jede menge pilgernde! ach was. gestern zwei menschen. heute zwei menschen auf dem camino. eine ausgezeichnete entscheidung war es den nördlichen teilabschnitt einzuschlagen. hatte den letzten teil der meseta also ganz alleine für mich. sogar ein bekanntes gesicht traf ich hier an, ein älterer franzose um die 60 mit langen weissen haaren, langem weissen bart und schwarzer hornbrille. wir haben noch nie geredet aber nicken uns immer zu. hab noch ein paar solche bekannschaften gemacht. die zunicken-und-schmunzeln-bekanntschaften.

war vielleicht so eine halbe stunde im cafe draussen im halbschatten, als rosa und alexandra herbeiliefen, die flotten jungen spanierinnen von gestern! wollte mich noch melden ob sie es denn überhaupt hierher schaffen würden und nun sind sie hier!! die hatten sicher nochmals über eine stunde mehr weg zurückzulegen als ich. sind also sogar noch früher los als ich morgens heute. die beiden schmeissen sich komplett zerstört auf die stühle neben mich, müssen zuerst mal eine viertelstunde einfach sitzen bleiben und die schuhe ausziehen bevor sie es an den bartresen fünf meter weiter schafften. scheinen aber ganz zufrieden zu sein! rosa hat durch ihre knieprobleme kaum mehr gepäck dabei und schickt es voraus. alex hat ihren rucksack diesmal dabei, aber auch sie hat anscheinend knieprobleme. wir quatschten stunden in der bar, zuerst frühstück, dann was zu knabbern, später landen wir beim bier und beim sangria. die israelin aus logroño kommt auch vorbei in der bar und ist mit einer neuen gruppe von leuten unterwegs. die amerikanische backpackerin von logroño ebenfalls im gepäck, sie und ihre oberflächlichen gespräche hatte ich aber keine sekunde vermisst. rosa, alex und ich schauen alle halbe stunde auf die uhr und auf whatsapp, um zu sehen wann und ob paco mit dem auto kommen würde. im prinzip hätten wir auch weiterlaufen und den bus in die stadt nehmen können. paco kam dann tatsächlich kurz nach drei uhr nachmittags an und schien total fertig zu sein. rosa holt gleich mal fröhlich eine runde bier und wir blieben mit paco nochmals eine stunde sitzen! das nenne ich den spanischen lebensstil. keine eile, keine effizienz nötig, aber den moment und das gemeinsame zusammensein am geniessen! wir düsen dann nach dieser stunde los richtung léon. alex sitzt vorne mit dem navi und da sie die abzweigung falsch durchgibt fahren wir 40 km richtung burgos, also in die komplett verkehrte richtung. die fahrt rein in de stadt dann chaos pur und wir laden die mädchen in der nähe ihrer unterkunft ab. paco und ich fahren weiter zu unserer wohnung, doug hatte ein airbnb mittem im stadtzentrum an toplage organisiert. neben uns tut sich die mächtige ehemalige stadtmauer der altstadt leons auf. wir parkieren. ich suche die wohnung mit dem gepäck und doug begrüsst mich vom balkon der altstadtwohnung grinsend mit seiner lesebrille auf der nase. paco sucht derweil einen parkplatz.

die wohnung ist komplett rennoviert und hat weniger den typischen IKEA-airbnb charme wie erwartet. zwei riesige badzimmdr. donovan flickt was an seinem rucksack rum während francesco sich ein glas kichererbsen reindrückt am küchentresen. wie schön die hermanos wiederzusehen!! wir umarmten uns herzlich, hatte ich sie jetzt doch 3 tage nicht gesehen. fühlt sich auf dem camino an wie wochen. wir tauschen uns aus und plaudern. donovan und ich gehen uns im supermarkt was holen. paco ist nach über eineinhalb stunden immer noch nicht zurück und wir machen uns langsam sorgen. wo steckt der typ?? und was ist passiert dass er so lange braucht? ich probiere paco zu erreichen. irgendwann geht der typ an sein handy. er sei in ein paar minuten in der wohnung. und erzählt uns dann in aller aufruhr, dass léon eine fahrverbotszone hat für autos, die nicht von hier sind und wir einfach da reingefahren sind! jetzt steht das auto 40min zu fuss am rande leons und er musste alles hierhin laufen.

airbnb wohnung mit balkon mitten in léons altstadt

donovan erzählt uns von den plänen, die er geschmiedet hat. ein freund aus indiana ist mexikaner und kennt einen typen aus galizien der jetzt in leon wohnt. und zu dem gehen wir jetzt alle essen heute abend. niemand kennt den gastgeber also. es ist aber etwas weiter aus leon draussen. wir starte eine hitzige debatte, ob das alles zeitlich noch reinpasst und wie wir dahinkommen und wie wir das morgen handhaben wollen, denn es würde spät werden heute und morgen heiss, also müssten wir im idealfall morgen früh wieder aus den federn. doug und ich haben eher weniger lust dahinzugehen und möchten uns lieber in der altstadt von leon tummeln, aber paco meint wir können nicht einfach absagen. dabei hatte ich mich gar nie angemeldet. donovan hätte uns zumindest explizit fragen können. und raushalten kann ich mich jetzt nicht mehr. donovan meint, der gastgeber würde uns sogar abholen kommen. problem halb gelöst. wir wären immer noch zu spät zurück, um morgen um 5.30 zu starten meint francesco. wir beschliessen morgen einfach später aufzustehen um 6.30 und dann zu schauen. vielleicht würden doug oder paco uns etwas aus der stadt fahren. der teil aus léon ist wieder zwei stunden durchs stadt- und industriegebiet und wäre nicht sehr dankbar. und es wird nochmals 28 grad morgen. nicht optimal.

sitze auf den balkon und schaue auf die kleine plaza. direkt gegenüber eine wohnung mit einem schild „zu verkaufen“. ich frage mich, wie viel die wohnung wohl kosten würde. ich zehn jahren könnte ich mir sowas vielleicht leisten. ich stelle mir kurz vor wie mein leben in leon aussehen würde. eine tolle stadt. bombastische stimmung hier. drehe eine kurze runde in der altadt, laufe durch das pintos viertel welches direkt vor der nase liegt. hab genau mal eine dreiviertelstunde, um mir leon anzuschauen, also laufe ich direkt vor die massive kathedrale. sie ist absolut IMMENS. ich setze mich vor die bank direkt vor der hauptfassade und die abendämmerung taucht das gotische kunstwek in ein oranges licht. sitze eine knappe halbe stunde da und starre auf die fassade. ein meisterwerk, erneut, wie schon in burgos und pamplona.

muss dann relativ schnell zurück und verirre mich in den engen gassen. doug versucht mich anzurufen, da sie gleich loswollen! bin gleich da. zurück bei der wohnung laufen wir raus aus der altstadt, dorthin wo die autos wieder durchfahren können. wir holen noch zwei flaschen wein und dessert!

rumblödeln auf dem weg zum auto von robert!

robert, der gute mann alias gastgeber, holt uns mit seinem 7-plätzer-familienauto ab. wir düsen eine viertelstunde durch das zentrum leons und erreichen ein einfamilienhausquartier ausserhalb der stadt wenig später. wir betreten eine wohnung, die komplett in shabby-chic gehüllt ist. braune wände im wohnzimmer und überall lebensweisheiten-sprüche in geschnörkelten buchstaben. die überdimensionale wanduhr sieht aus wie direkt aus der shabby-chic kategorie von alia-express bestellt. mich überkommt leichter brechreiz vor der einrichtung und wir stellen uns im kreis um den gedeckten tisch. da wir uns ja nicht kennen versuchen wir diverse gesprächsthemen zu finden und ich frage mich in der zwischenzeit, warum wir uns nicht setzen? stehapéro um den tisch herum also. komischer gehts nicht. will mich jetzt aber nicht alleine setzen lassen und probiere den jungs zu signalisieren, dass die stimmung doch vielleicht etwas lockerer wäre, wenn wir uns setzen. irgendwann setzen wir uns also. überall hängen familienfotos an den wänden. robert und seine frau haben sich in los angeles kennengelernt. robert ist professor für ontologie hier in léon. wir reden über gott und die welt aber vor allem über gott und die religiösen absichten des caminos. niemand von uns fünf hat religiöse absichten und robert scheint ganz entsetzt darüber zu sein. das spannendste an robert war folgende aussage. er ist in galizien aufgewachsen, hat dann aber in den USA studiert. er sagte uns: „die amerikaner gehen möglichst schnell und effizient von A nach B, denn sie wollen danach weiter nach C kommen. die spanier hingegen sagen sich: lasst uns zuerst mal nach B kommen. dann schauen wir weiter. und auf dem weg von A nach B gehen sie über R und P und X und S um dann irgendwann, vielleicht aber auch nie, nach B zu kommen.“ wir verabschieden uns von roberts frau und der gastgeber fährt uns wieder zurück in die innenstadt leons. auf dem weg zurück meint paco zu mir, er habe noch pläne für heute abend: „ein, zwei pacharan. maxinal fünf minuten.“ angel und jorge beenden ihren camino hier in leon heute abend und paco will noch kurz zur gruppe dazustossen. wir sind aber alle zu zerstört von der hitze heute und gehen auf direktem weg zurück zur wohnung ohne paco. francesco schläft fast im stehen ein. zwei russinnen gehen ihm nicht aus dem kopf und der typ laberte den ganzen nachmittag nur noch von den zwei russinnen!

höre paco an die türe klopfen. donovan steht auf und macht ihm auf. es ist 2.30 uhr. pacos fünf minuten! hahaha. 3 stunden waren das. der spanier kann nicht mehr gerade laufen und schwingt sich lallend ins bett! pacito pacito pacito. das wird nix mit 6.30 bei dir morgen.