Tag 19: Moratinos

heute die volle meseta experience. ging wieder früh los, von carrion bis zum nächsten dorf waren es knapp 18 kilometer durch die pampa. dazwischen: nichts! das heisst 4.5h wandern ohne möglichkeit zur zwischenverpflegung. bin dann irgendwann nach sechs gestartet. viele leute unterwegs schon! echt viele. es geht gefühlt immer geradeaus heute ohne höhenmeter. links weizen. rechts weizen. im hintergrund weizen. überall nur weizen. frage mich langsam wieso es so viel weizen überhaupt braucht. das meiste brot wird doch sowieso verbrannt. und diese butterkekse können mir gespart bleiben. ich stelle mir also die frage wozu weizen denn alles gebraucht wird und finde keine antwort. als futter för die kühe?und woher kommen die kartoffeln für diese ganzen tortillas in diesem land? mein fazit: es braucht so viel weizen für das brot für die ganzen bocadillos. zumindest so ist meine hypothese. irgendwann ein kleiner foodtruck. die erleuchtung gottes hier in der pampa. hole mir einen kaffee und nur wenig später holt mich donovan ein und setzt sich zu mir! dachte schon ich stecke tief in der scheisse und hätte 5 stunden plapperwand vor mir. ich sitze mit goretex jacke und kappe und langen hosen am kleinen tischchen und schaue auf die weizenfelder vor mir. es ist der kälteste morgen bisher. echt saukalt. mehr als herbstig. wintrig. donovan in kurzen hosen. nach seinem espresso steht er unterwartet auf und sagt er läuft weiter! hat kalt meint er. was für ein glück ich heute hab. kann alleine weiterlaufen.

foodtruck mitten im nirgendwo

von weitem sehe ich donovan alle 20 meter stehenbleiben und fotos schiessen. donovan macht bestimmt über 1000 fotos und mehrere dutzend videos pro tag für seine frau. in den videos spricht er dann immer so als würde er einen dokumentarfilm drehen. verliere donovan dann aber aus den augen. vor mir laufen zwei italiener. wir haben etwa ähnliches tempo und laufen gut und gerne die ganzen restlichen 12km zusammen ins nächste dorf. 3 stunden laufen wir also still vor uns her. von weitem sehe ich einen kirchturm. bis wir den aber passieren gibg es bestimmt über eine stunde. komme langsam in eine tranceartige stimmung. die landschaft sieht immer gleich aus. es ist die „via aquitana“, ein schnurgerader weg auf dem die römer früher gold von den minen in foncebado nach bordeaux transportiert hatten. verglichen mit der distanz foncebadon – bordeaux ist das hier ein klacks.

nur weizenfelder weit und breit

die nächste bar am ende dieser 18km ist dann der treffpunkt schlechthin und ich hole mir das rituelle bocadillo! die hermanos sind schon alle da, mussten mich beim kurzen kaffee mit donovan überholt haben, wir waren also dicht aufeinander. hab nämlich sonst keine pause gemacht.

das erste glas wein nach den geschafften 18km durch die öde mesetalandschaft

ein mexikaner stosst kurz in die gruppe. donovan hatte grosses von ihm erzählt. ein visionär. er möchte was ähnliches wie den camino in mexico starten und das land sicherer machen. klingt sehr utopisch. noch hätte ich zu viel respekt auf offener strasse in ein gefecht der narcos zu geraten ehrlich gesagt. ob das jemals ändern würde ist zu bezweifeln. der typ geht voraus und will ein drohnenvideo schiessen. ein drohnenvideo. donovan ist hellauf begeistert. wir laufen ein stück weiter und trotz starken orkanböen schafft es die drohne an ort und stelle vor uns in der luft zu bleiben. starke software!! ich fühle mich beim ganzen aber eher wie in einem dieser hässlichen aftermovies aus irgendeinem langweiligen event während im hintergrund schlechter deephouse läuft. diese werbevideos, ihr wisst schon. laufen weiter und irgendwann bin ich ganz alleine auf dem camino. so lustig geht es jeweils zu und her. noch ist man mitten in einer dichten gruppe von pilgernden — und plötzlich fängt es an, sich auszudehnen. und man ist ganz alleine. vorne niemand zu sehen. hinter mir niemand. eine angenehme ruhe kehrt ein. ich erreiche tempranillos de los templarios. ein dorf der tempelritter. hatte mir mehr vorgestellt hier. das dorf ist komplett ausgestorben. hab solch einen hunger dass ich die herberge aufsuche. irgendwas zu essen. und siehe da: hier sind menschen! das ganze dorf war komplett leer. hole mir eine tortilla. neben mir ein paar spanische arbeiter am bartresen. oben im ecken spanisches fernsehen, irgendeine kochsendung. wir schauen dem programm sicher eine halbe stunde lang zu. der schotte von „kruder und dorfmeister“ vom abendessen gestern kommt herein und sieht total zerstört aus. wir quatschen nicht und er schliesst sich uns tv-glotzer an. beschliesse dann doch noch weiterzulaufen. francesco erzählte von einer herberge von italiener*innen, pasta soll es geben!

knappe 40 minuten weg seien es noch dahin. letzte woche wäre hier die hölle gewesen bei 32 grad. jetzt ist es angenehm warm aber nicht zu heiss um 14 uhr herum. ich sehe zum ersten mal einen bauern auf einem dieser abermillionen von hektar von weizenfeldern mit seinem traktor das feld ackern. ja, es ist in der tat der erste bauer den ich auf dem feld sehe. ist halt wohl nicht saison. die felder sind nämlich alle schon abgemäht. und die neue saat kommt vermutlich erst im frühling?

die italienische herberge hat überall italien-flaggen aussen an der fassade montiert, ich kann das ding also nicht verfehlen. auf der saftiggrünen wiese im innenhof liegt — francesco! und paco oben-ohne mit pacharan-glas auf dem bauch! was für ein bild. donovan telefoniert mit seiner frau und doug kommt sogleich mit nassen haare von der dusche. die junge italiener*innen gruppe von gestern sehe ich heute hier wieder. sind wohl auch wegen der pasta hier hehe.

paco mit pacharan!

am kleinen brunnen setze ich mich zu der einen italienerin aus der gruppe. ihre mutter kommt aus indien und ihr vater aus venezuela. eine hinduistische familie. was für ein mix! sie kann aber nur sehr schlecht englisch und ihr spanisch ist in etwa so wie mein französisch. sie stellt sich als „dati“ vor, ich merke es mir als „dativ“ ohne „v“. der volle indische name ist zu kompliziert sagt sie.

paco und ich laufen eine runde ums dorf. mag den sarkasmus von paco ausgesprochen! er hat gemeint er würde sich die stadt ansehen und den bus ins zentrum nehmen. hahaha! dabei hat das dorf etwa 10 häuser. und einen kleinen hügel von dem man weit in die ferne sieht. und eine bar aka bodega! also setze ich mich draussen hin und bestelle ein bier und ein bocadillo. quasi das apéro-bocadillo, das pre-dinner-bocadillo. eine mexikanerin setzt sich später zu mir und eine dickere kettenrauchende deutsche (schreibt man jetzt „deutschin“?). sie beklagen sich über die vielen fliegen und in der tat nervt das herumgeschwirre der millionen von fliegen so sehr — selbst mein bier hat drei ertrunkene fliegen in der kurzen zeit erwischt — dass auch ich meinen platz räume.

es ist noch nicht mal sieben aber es scheint niemand mehr draussen vor der herberge zu sein. bin ich also wiedermal zu spät zum abendessen und kriege nur noch eine halbe portion spaghetti carbonara! dabei hatten francesco und ich extra vegetarisch angemeldet aber das scheint der koch leider wieder vergessen zu haben.

nach dem essen lade ich dita und paco auf eine runde limoncello ein und wir albern mit der restliche italiener*innen gruppe noch etwas rum!

herberge san bruno

schlafe heute draussen im zelt im lauschigen garten. francesco holt mich nach dem zähneputzen in den schlafsaal und will dass ich mir donovans schnarchen anhöre haha! der typ ist unglaublich. noch nicht 22 uhr und er schnarcht schon echt tief! und sagt jeden morgen aufs neue dass er nicht schnarcht. welch fette lüge! könnte nicht schlafen so. ich lobe mich erneut für die grandiose idee, ein zelt dabei zu haben. gute nacht.