Tag 18: Carrión de los Condes

foto von der schulklasse auf der treppe! im hintergrund ein schönes gotisches werk

hatte heute morgen ganz für mich! wunderbare ruhe. durch donovan und jorges schnarchen konnte ich gar nie richtig schlafen und stand schon vor 5.30 auf, packte zusammen und ging los. der weg lief bestimmt zwei stunden im dunkeln an einem kiesweg einem fluss entlang. ein lallender engländer packte mich in eines seiner gopro videos und kommentiert so als ob es sich um einen CIA einsatz in afghanistan handeln würde. hat die gopro auf seinem kopf montiert und zündet mit der taschenlampe wirr umher und flüstert im video wie die umgebung hier aussieht: „it’s pretty quiet here. this town is pretty much dead guys. a few buildings on the east side. not worth it.“, und sagt das flüsternd in seine kamera. viel passiert hier wahrlich noch nicht um diese uhrzeit. überhole den typen dann irgendwann. es hat heute früh schon wieder viele leute unterwegs, doch dehnte sich das ganze allmählich aus. herrlicher waldpfad später. zwei spanische mütter streiten sich äusserst energisch und ich kriege alles mit nur wenige schritte vor ihnen. kurz vor 11 stand ich dann vor einer mächtigen gotischen kathedrale mit romanischem unterbau. gleich gegenüber eine bar! hole mir mein spätes frühstück. kriegte die tage ab und an komplimente für mein spanisch und meinen akzent. die spanier*innen können die südamerikanischen akzente nicht sehr gut auseinanderhalten und sagen immer „von da unten“. die meisten tippen auf argentinier bei mir weil es so viele weisse argentinier gibt. chileno, muss ich dann korrigieren. als ich aus dem cafe ging und mich mit vollen tellern vor die kathedrale setzen will, grinst mir ein bekanntes gesicht zu. der gute alte tony! der mann ist 77 aber in top form. macht erst heute einen tag auszeit. dann, aus dem nichts, stürmt eine masse von vielleicht 100 schulkindern die plaza und setzt sich vor die treppen. gruppenfoto vom sportlehrer. vielleicht machen sie eine etappe vom camino, vielleicht auch nur zu besuch hier. die spanischen jungs tragen auch in der freizeit fast all immer fussballtrikots und so fällt es gerade schwer einzuschätzen was sie hier tatsächlich treiben. ausflug zur kathedrale. auf dem camino weiter sehe ich versteckt eine jungsgruppe zigaretten rauchen. müssen sich jetzt wohl ganz böse fühlen! der kiesige weg geht etwas hinauf. plötzlich nähert sich ein konstantes und rhythmisches geräusch von fürzen von hinten. ich dachte ohne witz die wären echt. francesco hat mich eingeholt und zieht mit seinem wanderstock an mir vorbei und grinst mir dabei zu. hahaha! wir erreichen zusammen dann nur wenig später carrion de los condes. fertig für heute. ich möchte zum camping den es hier hat. francesco will 4 betten reservieren für die jungs. die kirchliche herberge ist schon voll ausgebucht und der pastor sieh sichtlich genervt aus von der heute noch bevorstehenden pilgermasse und schickt uns sogleich wieder raus. steht kurz vor dem burnout der mann, er kriegte schon panik als wir herein kamen: „todo lleno, todo lleno, todo lleno!“ und schüttelte mit den händen.

lasse francesco in der schlange anstehen bei der nächsten herberge und laufe weiter durchs dorf. schön hier. sehr schön sogar. wundervolle plaza mayor. im camping angekommen buche ich für eine nacht, quatsche mit dem besitzer am bartresen. draussen in der schattigen terasse dann erst mal ankommen. eine äusserst hübsche spanierin sitzt in ihrem pinken fleece ebenfalls im schatten und ich denke es ist wohl die frau oder mitbesitzerin des campings hier. oder eine ganze familie, ein paar weitere menschen setzen sich dazu an den tisch. lausche den gesprächen und versuche etwas zu schnallen. schalte mich irgendwann dazu und es klappt nicht schlecht. verstehe aber kaum was sie mir dann antwortet. smalltalk auf spanisch. ging aber nicht schlecht!

einkaufen im supermercado und duschen und wäsche machen und kochen und nickerchen. setze mich oben auf die plaza mayor und schreibe meine ersten postkarten. vor mir taucht dann plötzlich paco auf! hier! und will zum pacharan einladen. ich rede mich raus und sage ich brauche noch eine weile für die karten. „pero despues cabron!“ schreit er zu mir rüber und lacht vom entfernten tisch aus.

mal wieder was vernünftiges vegetarisches hier auf dem campingplatz. supermercados sind in der meseta eher spärlich gesät.

stosse dann später in die runde dazu, wir bleiben immer länger, die sonne geht unter, weitere pilgernde kommen dazu, der tisch wird grösser. neben mir ein schotte. ein junger mann aus irland erzählt von diesem club an dem wir morgens um 6 vorbeigelaufen sind vor ein paar tagen. er war da drin! raggaton lief und der club war mitten in der pampa. zu gut. der schotte schaut mich dann irgendwann an: „kruder & dorfmeister?“ sagt er aus dem NICHTS. „yes“ sage ich nur zurück und schmunzle. er meint er hätte es mir angesehen, wir reden über gott und die welt und das aussteigerleben. ein spanier, alfonso, schaltet sich dazu und will mit mir über cryptocurrencies und ethereum reden, da habe ich aber eher weniger lust dazu und blocke das gespräch ab. doug sitzt neben mir und wir quatschen über whiskey. irgendwann gehen alle zu bett. es ist erst neun. angel und carmen und ich bleiben noch eine weile sitzen und trinken wein.

karten schreiben in carrion de los condes hier beim kaffee trinken. rechts ganz hinten (kaum zu sehen) die gruppe der hermanos wo ich später dazustosse

franz setzt sich beim abschiedsagen zu mir. hab den typen in burgos in der schlange getroffen. schwarzer schnurrbart, zahnlücke zwischen den beiden schneidezähnen, abgewetzer strohhut, rotes blumenkurzarmhemd. hält er dazu noch ein glas bier in der hand und torkelt er herum, sieht er aus wie direkt aus dem ballermann eingeflogen. wir haben uns dann ab und an mal wieder kurz gesehen in den kurzen stops in den bars auf dem camino. hab franz noch nie ohne bier in der hand gesehen ausser in der schlange in burgos. franz erzählt mir einige seiner geschichten und seinen alltag. er steht nie vor acht auf und meistens erst wenn er aus der herberge geschmissen wird. trinkt dann morgens schon bier. „4,5 bier“, wie er meinte. er macht also oft halt und trinkt dann viel bier meint er. „zu viel“, sagt er und lacht. kommt aus regensburg. da haben wir also franz alias franziskus, paco alias francisco und francesco. das trio franz. es ist freitagabend und die spanischen kids spiele fussball auf der plaza. und tragen ihre obligaten trikots.

freue mich aufs zelt heute, wird ohne zweifel besser als gestern im zimmer mit jorge und donovan! beim betreten des campingplatzes herrscht stoische ruhe. kein jorge und kein donovan weit und breit. und es ist erst zehn! gelte hier auf dem camino schon als die „nachteule“ bei den hermanos weil ich immer der letzte bin der schlafen geht.