Tag 16: Hontanas

ich beschliesse heute morgen früh dass ich fortan grosse herbergen meiden möchte. das schöne: man trifft mit höherer wahrscheinlichkeit auf bekannte gesichter. die grösse, anonymität und mangelnde schlafqualität scheinen es mir aber nicht der wert zu sein! packe mein zeugs kurz nach 6 zusammen. bin einer der letzten der den schlafsaal verlässt. das gute: doug gibt uns heute vorsprung. paco meint es kommt ein wüster teil durch das industriegebiet und sei es nicht wert gelaufen zu werden. ich warte um 6.30 vor dem airbnb der hermanos und kurz danach fährt und paco und nächste dorf ausserhalb der stadt. wir fahren quasi direkt dem camino entlang und der weg isr in der tag nicht sehr schön! um diese uhrzeit wäre aber sowieso noch nicht viel los auf der strasse und wegen der dunkelheit auch nicht so schlimm gewesen. aber doch etwa 10km, weshalb wir ganz froh angekommen erst mal ein café trinken und uns in der bar aufwärmen. los gehts.

aufwärmen in der bar morgens um sieben

die dämmerung bricht herein. es ist angenehm kühl und deutlich herbstig heute früh. da wir etwas vorsprung vor der grossen pilgermasse haben: kaum jemand ist auf dem weg. wir habe den weg ganz für uns. wir laufen hinauf auf eine hochebene und vor uns taucht erneut eine unfassbare weite von weizenfelder hervor, in weichem goldgelb gesättigt durch das weiche morgenlicht. paco und ich atmen tief ein. el odor de la mañana, der morgenduft. herrlich. wir laufen gemeinsam neben einander her. ganze zwei stunden. auch donovan bleibt heute morgen ganz still. francesco sagt uns dass heute der geburtstag seines hundes ist, er läuft etwas weiter vorne auch ganz still dem weg entlang. wir erreichen ein kleines dorf, hornillos del camino. hier nehmen wir frühstück. paco bestellt sich ein glas rotwein. es ist 9.30 uhr! verrückter kerl. und ich? ein bocadillo. was denn sonst. francesco gibt sich mit trockenen dinkelkeksen zufrieden. francesco erzählte mir gestern dass er sprintschwimmer ist. so gut, dass er im olympiateam von italien schwimmt. donovan der marineoffizier. paco der pyrenäenbesteiger. francesco der olympiaschwimmer. und meine wenigkeit, der student! dass ich mit den sportskanonen überhaupt mithalten kann. wir laufen weiter. langsam sind wieder mehr leute unterwegs. unsere längere pause in hornillas gab der horde aus burgos aufholgelegenzeit. kurz vor zwei erreichen wir hontanas, das tagesziel. wir spazieren durch ein wunderbar gepflegtes dorf. und passieren gleich zu beginn zur rechten seite eine perfekte ebene für unser zeltvorhaben heute nacht. wir setzen uns in die bar und donovan gibt eine runde bier aus. doug ist natürlich schon hier und hat den vormittag wiedermal im dorf verbracht. auch doug hat neue schuhe im gleichen laden wie ich in burgos gekauft. die neuen schuhe sind fantastisch. habe kaum beschwerden. vielleicht aber auch wegen dem tag pause in burgos. morgen und übermorgen würde ich sehen, wie viel die neuen trailschuhe effektiv bewirken. zurzeit: top! fühle mich überhaupt nicht erschöpft. könnte noch 10km weiterlaufen. doug und ich schnappen uns was zu essen, francesco inspiziert den campingplatz.

laufe später am nachmittag wieder hoch zum anfang des dorfes. ich hatte erwartet, francesco würde auf der wiese ein nickerchen machen. ich würde es ihm gleichtun. stattdessen stehe ich plötzlich vor drei zelten! drei! ein belgier taucht auf, ihn hatte ich schon oft gesehen von weitem, er tut es den franzosen gleich und ist immer draussen am nächtigen, aber mit zelt. der dritte im bunde ist der blonde mit den rastas den ich gestern in burgos in der schlange angetroffen hatte. wir quatschen. stelle also mein zelt, das vierte hier momentan, genüsslich bei leichtem winde auf. zwei österreicherinnen kommen gleich später nach und markieren das fünfte zelt! wir bleiben eine weile liegen auf der wiese vor uns. wenig später kommt ein grosser amerikaner zu uns: sein erster tag auf dem camino, hat heute in burgos gestartet. er stellt das sechste zelt auf. wir haben nun ein richtiges zeltcamp hier oben, das basecamp von hontanas. würde mich nicht wundern falls sich noch jemand anschliesst.

himalaya basecamp

unten in der herberge aka dorfplatz aka bar aka treffpunkt des dorfes sehe ich die grosse italiener*innen gruppe von gestern in burgos. nicht die andere welche jeweils früh um 5.15 losgelaufen sind, aber eine andere. ich denke die frühaufsteher*innen gruppe ist wohl schon ein oder zwei tagesetappen weiter. wir hatten ja zwei nächte in burgos verbracht. das italienischsprechende volk findet ja irgendwie immer zueinander, bildet sich wie ein filz innert kürzester zeit, egal wo und wie. zürichs italiener*innen filz ist ja legendär.

im nieselregen versuche ich etwas zu lesen über die geopolitik von iran und dem nahen osten auf der halbgedeckten terrasse der herberge. irgendwann läutet es zum abendessen! paco und donovan und dog kommen runter und erzählen mir stolz dass sie gerade zwei flaschen wein getrunken haben. ich lerne angel, spanier und vierter in ihrem weinbunde, kennen.

im kleinen speiseraum der herberge sitzen wir zu viert an den tisch, angel hat schon gegessen! die männer sehen müde aus und so bin es auch ich. wir haben für ein mal eine etwas stillere runde. paco fährt morgen nach valencia runter. 7 stunden autofahrt. geht seine eltern besuchen, sein vater ist 89 jährig. dann den tag drauf wieder zurück wo wir dann auch immer sind. 7h autofahrt zurück nach castilla y leon. schon beachtlich dieser mann! aber was wäre ein abend ohne pacharan. ha! wir gehen an die bar und bestellen eine runde. doch: die bar ist zu. uns kommen die tränen. das beste am pacharan ist dass es ein latino lied aus den 90ern gibt in der es eine strophe über den pacharan gibt. paco kann das wunderbar und singt mit seiner tiefen und vollen stimme jedesmal diesen lobgesang wenn wir pacharan bestellen. muss mir diese strophe merken dann kann ich auch mitsingen. jorge, der mann aus florida, kann die strophe nämlich auch! ein muss auf dieser reise. wenn ich etwas lerne von 800km durch die pampa wandern dann soll es diese strophe sein. zurück in zürich würde ich dann stets eine flasche pacharan in der wohnung haben. er ist im prinzip ein digestiv, ähnlich wie der limoncello. einfach die spanische version davon. wird aus einem kraut aus den bergen hergestellt.

etwas früher als sonst gehen wir heute schlafen. herrlich. draussen nieselt es leicht. im zelt angekommen dann der stille frieden. es wird eine gute nacht.