Tag 14: Fuentes Blancas

meine wenigkeit auf dem gipfel

wir hatten zum ersten mal diese nacht als ganze gruppe in einem zimmer zusammen geschlafen fiel uns heute morgen auf. donovan, francesco, paco, borja, marisa, doug und ich. eine dame aus england hatte die wunderbare karte gezogen das bett mit uns zu teilen und kam in den genuss unseres zirkuses. wir hatten sie dann vorgewarnt dass paco und donovan eine synchrone schnarchmusik über die bühne lassen werden die kommende nachr und sie schien keine freude an der nachricht gehabt zu haben! heute morgen war sie dann sogar schon weg als wir aufgestanden sind.

borja war schon los, ich folgte später darauf. nach einer knappen stunde erreiche ich atapuerca, ein unscheinbares dorf von archäologischer bedeutung! 12 km von hier fand man 800.000 jahre alte knochen eines vorgängers des homo sapiens welche bis 2007 als die ältesten knochenfunde einer menschengattung galten. 2007 wurden die funde dann übertrumpft.

licht brannte in einem kleinen kiosk. ein ungare — den ich nur wenige minuten zuvor an der kreuzung aufgabelte — und ich betraten den kiosk und eine liebe dicke frau gab uns einen kaffee raus. ihr mann machte draussen die stühle bereit und wir setzten uns draussen in die leere stuhlrunde. ich spüre die beine und die füsse schon jetzt, ziehe die schuhe aus. hoffe burgos zieht sich nicht heute. brauche wieder mal einen abend für mich und vor allem sehr sehr viel schlaf. die akkumulation des schlafmangels über die letzten tage zehrt gewaltig an meinen kräften. die gruppe holt mich nur wenig später schon wieder ein und schliesst sich dazu. borja läuft weiter und auch ich möchte nicht allzu lange hier sitzen bleiben. es geht auf einen hügel zu, der weg wird sehr steinig und kalkig und gleicht schon fast einem karstfeld auf dem wir uns befinden. die dichte der bäume nimmt ab und wir erreichen die kuppel des hügels. ein zerfressenes holzkreuz zeichnet den höchsten punkt. paco und donovan überholen mich, wir laufen gemeinsam runter, weiter dem weg nach. wir sehen weit in die ferne und sehen den flughafen und die stadt burgos. burgos war früher hauptstadt spaniens bevor sie von madrid abgelöst wurde.

alto de irgendwas. rechts hinten im hintergrund ist burgos!
paco erzählt weisheiten

nach einer weile erreiche ich eine tolle bar, eine bocaderia! alles voller pilger*innen. frischen orangensaft und kaffee und bocadillos! lang ist es her haha. next break. an fleisch oder fisch komme ich noch immer kaum vorbei und gönne mir ein bocadillo mit spiegeleier und jamon (schinken). werde nachlässiger hier auf dem camino aber sonst verhungert man. draussen auf dem gartensitzplatz treffe ich auf ryan, einen der franzosen von gestern mit dem ich den letzten wegabschnitt nach ares gelaufen bin. sehr sympatischer typ aber sein englisch ist etwa so schlecht wie das vom süditaliener und wie etwa mein französisch. ich setze mich zu ihm. probiere mein französisch und die konversation klappt teilweise besser als auf englisch. ryan geht irgendwann los, er hat probleme mit dem fuss und läuft etwas langsamer, dafür geht er schon früher los als seine beiden anderen kumpels die ein krasses tempo draufhaben. anscheinend laufen sie immer 30-40km pro tag oder gar nichts. alles oder nichts! geht auch so.

der sportliche holländer ist wieder in neongelb unterwegs und schnappt mir meinen toilettenplatz weg. er wirkt wie dieser grosse streber der auch gut im sport ist. ein sportstreber. wir nicken uns jeweils nur zu wenn wir uns sehen, er ist immer alleine unterwegs. hat aber familie zu hause in holland. und macht jeweils einen buckel beim laufen. dabei hat der doch nur 4kg am rücken. 4kg! ich fass es immer noch nicht. ich würde ihn vielleicht nie mehr sehen, glaube er geht nach hause in burgos. vielleicht geht er noch heute auf den zug. würde eigentlich noch gerne abschied nehmen von ihm, haben wir doch so vieles geteilt diese tage. er hat meinen abend im restaurant in torres del rio eigentlich ganz nett gestaltet zusammen mit den schwedinnen! die hab ich vorgestern in belorado übrigens wiedergesehen aber sie waren sehr ernst drauf.

laufe weiter und irgendwann kommen wir an die zäune des flughafens. die sonne beginnt zu brennen. marisa hat gestern gemeint heute würde mild und bewölkt werden. nichts davon zu spüren und schon bereue ich es wieder, so „spät“ aufgestanden zu sein (ca 6.15 uhr). hatte mir den september echt kühler vorgestellt. marisa sagte mir, gestern wären es 32 grad gewesen in san juan de ortega. 15kg gepäck bei 32 grad gestern war hart! vor allem die letzte stunde durch den wald vor ortega.

ich komme durch einen teil der industriezone von burgos und es tut sich wenig später ein schöner wald auf, ein naherholungsgebiet der stadt. bald darauf verirre ich mich. und sehe weit vorne zwei pilgerinnen! ein glück. tausend wege schlängeln und kreuzen sich hier und es ist keine spur von gelben pfeilen zu sehen, die normalerweise gut platziert den weg nach santiago leiten. wir sind aber auch auf dem zweiten, halboffiziellem weg. der offizielle geht durch das industriegebiet. wollte ich mir sparen, muss ich jetzt nicht unbedingt sehen. erreiche den camping „fuentes blancas“ kurz vor burgos dann und buche für eine nacht. ist nicht günstiger als eine herberge aber hoffe auf eine schnarchfreie nacht und ein ausschlafen morgen früh.

camping hat leider den entscheidenen nachteil dass es nicht viel gibt hier. hab einen mordshunger und das restaurant ist natürlich, spanichem lebensstil gemäss, erst ab 13.30 geöffnet. also hab ich wiedermal keine andere wahl als mir ein stück tortilla zu schnappen und zu warten bis die küche öffnet. hau mir dann einen ordentlichen dreigänger rein für 12 euro, obwohl die kellnerin meint, einen vegi teller gibt es eigentlich nicht, aber sie zaubern dann was mit ei und kartoffeln hin, was im grunde aber nichts andereres als tortilla ist — und so esse ich quasi wieder spanische tortilla.

den magen gefüllt suche ich mir meinen zeltplatz zwischen zwei bäumen. zwei andere zelte stehen hier, sonst nur deutsche und holländische pensionierte pärchen mit ihren überdimensionierten weissen detlef wohnmobilen. ein paar sehe ich in der ferne auf ihren plastikcampingstühlen sitzen, auf dem boden ein plastiktuch (sollte wohl wohnlicher wirken so? oder zum die füsse vor dem unwirtlichen und giftigen boden zu schonen?). dieses detlef camping volk. überall nur detlef. vermutlich heisst der mann dann auch detlef. und die frau gertrud.

stelle mein zelt auf und es beginnt in dem moment zu regnen. schlafe durch bis abends um 20.30. danach schleife ich rüber zum restaurant. paella. mit crevetten und poulet. keine lust mit dem kellner nochmals wegen vegi alternativen zu diskutieren und dass ich kartoffeln und ei schon zu mittag hatte. gibts also paella! etwas abwechslung für auge und gaumen für den heutigen tag. bin fast alleine im restaurant. neben mir ein älteres deutsches ehepaar am streiten. bestelle nochmals tarta de queso nach. spanischer käsekuchen / cheesecake. herrlich. könnte ich jeden tag essen. vielleicht esse ich mich bis santiago komplett mit tortilla und tarta de queso durch.

hab keine lust und energie zum lesen oder reden und so schleife ich zurück zum zelt. für einmal keine pilger*innen weit und breit. wieder ein komisches gefühl, hier so „off the road“ zu sein. man fühlt sich nicht als pilger, nicht als camper. irgendwo dazwischen. morgen dann rein in die stadt nach burgos. gut ausgeschlafen hoffentlich. kann meine offenen blasen an den füssen etwas an der luft trocknen und heilen lassen. und: will wegen schuhalternativen umschau halten. diese fetten stiefel geben mir gerade den rest auf blankem asphalt. auch kieswege nicht gerade das feinste. die stiefel sind für gelände gemacht und dieses werde ich vorerst nicht finden in der meseta.