Tag 10: Najera

ich muss mich heute kurz fassen, die tage beginnen zu verschwimmen! vor allem wenn man in der gruppe unterwegs ist. das typische passiert: die komfortzone setzt ein, es fallen einem kaum details auf, die landschaft wird weniger wahrgenommen, die gedanken auf die gespräche fokussiert. hat sich sehr gezogen heute! 30km ist die hölle. die reine hölle. war völlig durch ab dem nachmittag.

stand mit der italienergruppe auf um 5.15, war 5.30 auf der strasse. heute 30km, 7h fussmarsch vor mir. ich verliess die kirchliche herberge und war auf den dunklen strassen von logroño. hatte kaum gelbe pfeile und so verlor ich mich in der stadt. schaute umher. da! eine pilgerin! ich haute sie an und sie hatte die ninja app installiert, eine app für den camino. wir fanden zurück zum camino und liefen bestimmt knapp zwei stunden durch die dunkelheit, raus aus der stadt, bis ein grosser dunkler see sich vor uns aufmacht. ein stausee für die elektrizität der stadt. eigentlich toll. man kriegt ein naherholungsgebiet. zwei fliegen auf eine klappe. irgendwann muss ich eine pause einlegen, verabschiede mich von der schwedin. sie nennt mich einen engel, der aus dem nichts kam. einen engel. ich hätte ihr den weg gezeigt und sie fühlte sich geborgen in meiner obhut, durch die dunklen gassen der stadt zu laufen. nun dann! ich nehme das kompliment an.

und denke zurück an marcial picó. als ich 2017 mit freunden an der nordküste spaniens unterwegs war mit dem fahrrad fuhren wir von bordeaux nach santiago. zwei freunde mussten in santander heimreisen, candid und ich reisten weiter. knapp 10 tage waren wir wohl zu zweit unterwegs. der weg wurde zum marathon, die tage ziehten sich. mehr durch zufall waren wir zu viert mit dem fahrrad in hendaye auf den camino norte gekommen, der küstenweg des jakobswegs. und beschlossen spontan nach santiago zu fahren. candid und ich also in der finalen etappe, der letzte tag nach santiago. das wären wohl 4-5 tage zu fuss jetzt. plötzlich, auf dem boden, fanden wir einen vollen pilgerpass. die credencial. wir hatten nur den namen. und so fuhren wir langsam und sachte den weg weiter und riefen den namen laut raus, um das fundstück zurückgeben zu können. marcial! marciaaaal. alguien se llama marcial aqui?? und dann fanden wir ihn tatsächlich. er brach in tränen aus, war mit tochter und sohn auf dem camino, weil seine frau und die mutter seiner kinder wegen krebs gestorben war. wir waren zutiefst erschüttert und gleichzeitig glücklich eine solche begegnung zu haben. und dann, in santiago, am abend unterwegs in santiago, fanden wir das trio wieder! und hatten einen wunderbaren letzten abend in santiago. das war 2017. und gab mir einen kleinen vorgeschmack, welch freundschaften ich auf dem camino noch knöpfen würde. marcial spielte dann nach unserem auftreffen bis nach santiago das lied „angel“ auf seiner panflöte. er meinte wir wären engel und wurden von gott gerufen ihm das verlorene papier zurückzugeben. auf jeden fall fiel mir diese szene wieder ein. ich dachte oft und gerne zurück an diese begegnung in den letzten jahren. marcial und ich hatten ab und an kontakt auf facebook.

zurück zu heute. beim pause machen bei beginnender dämmerung holte mich keine fünf minuten später die italienegruppe ein. sie scheinen mir ein völlig übertriebenes tempo zu haben. sehr sehr pushy. um die 6 km/h. gestern habe ich ja gemerkt dass es auch nichts bringt um 11 uhr schon anzukommen. bei ihnen würde es aber ums prinzip gehen meinte claudio. eine der ersten zu sein, nichts zu resevieren. toll. bei letzterem stimme ich zu. bei ersterem? sehe keinen anreiz. ich starte lieber früh aber mache genügend pausen. nach meiner pause als folgt ein steiler anstieg auf die hügel bei logroño. ein wunderbarer sonnenaufgang macht sich bereit und taucht erneut alles in wunderbar sanftes, rötliches licht.

an den rest kann ich mich nicht mehr gross erinnern. war sehr müde. kam irgendwann in einem café an, alles voller pilger*innen. stelle mich in die schlange. cafe americano und ein bocadillo. francesco taucht auf. borja, der youtuber. die schwedin von vorher im dunkeln war hier. der sportliche holländer. donovan stosst dazu und ich bestelle einen zweiten kaffee nach. rede mit einer jungen frau von den kanarischen inseln. sie kannte mich irgendwie wegen paco. el chilenooo de suizaaa. machte mir grosse augen. ich noch im halbschlaf. etwas zu grosse augen, etwas fixiert auf mich. war das diejenige von paco die auf heiratende männer aus ist? ui. zack, raus auf die strasse, weiter gehts. noch 3.5h bis zum etappenziel.

danach kommen zähe stunden. die füsse machten fast platt. donovan holt mich ein und quasselt ununterbrochen auf mich ein. es wurde zur mentalen probe. wir essen zu mittag im wenigen schatten den wir vorfinden. tony stosst dazu. wir laufen weiter, noch immer 1.5h bis najera. wir laufen langsamer. die spanierin von estella holt uns sein. sie muss wohl über 50 sein, hat eine 29 jährige tochter. sie sieht sehr frisch und sportlich aus. sehr attraktiv. ist auch informatik-ingenieurin. wir halten ein langes und tiefes gespräch auf spanisch. über valencia und alicante und katalonien.

irgendwann erreichen wir najera. boah. ich kippe in der beissenden sonne fast um auf den letzten kilometern. es ist mal richtig heiss. dann, am ortseingang. die männer! paco und francesco und borja! paco bestellt gleich eine runde bier in der bar. francesco und ich tauschen blicke, bei paco gilt das nein nicht! borja hat ein airbnb gebucht und erlaubt uns dort zu schlafen, es sei eine 3.5zi wohnung. wir nehmen dankend an. wäsche machen, dann schlafe ich rund 3 stunden durch auf dem sofa. alle sind am schlafen.

paco weckt mich um rund 19.30, wir gehen runter was zu abend essen. marisa und ich bestellen pizza. ich dachte mir: wenn marisa, die gebürtige spanierin, hier bestellt, wird sie es wohl wissen. kam dann aber mehr kuchen als pizza. marisa war stinksauer, sagt es wäre mehr ein bocadillo als eine pizza. haha! spanische pizza in einer bar. nie wieder. aber gab keine andere vegi alternative. ausser gemischten salat. und denn hatte ich ebenfalls bestellt.

borja und marisa und paco haben ein langes und tiefes gespräch und ich versuchte ihnen zu folgen. gelang nicht lückenlos, viele wörter kannte ich nicht. fliessend alles zu verstehen gelingt mir nach einer woche spanien noch nicht. aber schritt für schritt.

najera sieht aus wie aus dem wilden westen. unglaublich. die landschaft hier in la rioja (baja) ist plötzlich so viel anders als noch in navarra. vor dem dorf erhebt sich ein gewaltiges plateau. die rioja alta.

najera