der tag wurde nur besser. die ganze nacht über hat der gleiche hund durchgebellt ohne untebruch und jede volle stunde der boden und mein gehör so laut vibriert, das ich jeweils aus dem schlaf gerissen wurde durch den gongschlag der kichenglocke oberhalb meines schlafplatzes. zwischen 1-3 uhr hatte ich wohl kurz etwas schlaf, da es dann nur ein bzw. zwei mal gegongt hat. die idee, das zelt neben einer spanischen kirche aufzustellen unterlasse ich ab jetzt. wusste nicht dass der gong so verdammt laut sein kann und durch die nacht durchspielt. um fünf stehe ich auf und packe zusammen, laufe durch eine dunkle landschaft inmitten von weinbergen während stunden. vor mir eine junge gruppe aus fünf menschen. man kann aus einer silhouette ja so einiges ablesen. das alter zum beispiel. das geschlecht aufgrund der gangart. ein möglicher look. ich tippe auf die italienergruppe, denen ich jetzt doch schon an jeder etappe begegnet bin. sie ziehen immer super früh los und sind die ersten bei den herbergen. mit ihren stirnlampen zeigt mir die gruppe im dunkeln den weg. ich belasse es selber mit ausleuchten, habe aber meine in der hosentasche griffbereit. läuft sich besser ohne licht, die augen gewöhnen sich an die dunkelheit und man erkennt mehr von der landschaft. nach etwa 2 stunden kam ein wunderschöner sonnenaufgang. der schönste bisher. wow war das schön!! alles in rot getaucht, die weinfelder, die berge im horizont, die wolken über mir. irgendwann als es heller wird, erkenne ich die italiener*innen gruppe dann bei tageslicht. lag also nicht falsch. war um 5.30 los, die also um rund 5.15 uhr. in viana die erste pause, ich laufe in alessia, die italienerin aus der gruppe hinein. sie fragt ob ich pause machen würde, wir trinken ein kaffee zusammen und vor uns eine lustige deutsche mit pinkem halbschirm-hut aus den 80ern. kurlige frau. hat sich bei siemens in zürich beworben ist aber nix geworden. jetzt war sie irgendwie sauer auf mich sagte sie mir weil ich aus zürich komme und sie den job nicht bekommen habe. haha! ich laufe lustig und locker weiter durch die weinfelder und betrete die region LA RIOJA. fertig mit NAVARRA. aus rioja kommt ja jede menge wein. kurz vor logroño dann das (anscheinend legendäre) haus einer alten frau, die jahrelang am weg sass mit ihrem tischschen und die pilgerscheine abstempelte. sie sei 2002 aber mit 92 jahren verstorben. kerkeling hatte sie also noch knapp erwischt. ihre tocher übernimmt aber das ruder und so kriege ich einen stempel von mir. in weiter entfernung sehe ich den verwirrten koreaner auf dem weg! der koreaner! ich muss ihn einholen, will ihn endlich mal kennenlernen. ich schraube mein tempo hoch, die beine beginnen fest zu schmerzen. wir laufen auf asphalt. bis in die stadt sind es bestimmt noch 30min aber das würde ich überleben. mit hohem tempo kriege ich den typen auf der brücke ein, die den fluss ebro überquert. schon die römer und kelten waren hier. es ist der wasserreichste fluss spaniens. der koreaner schiesst auf dem weg laufend lustige fotos. motive von denen ich mich frage, wieso er das jetzt abfotografiert. schiesse ein foto von ihm auf der brücke. er will ein foto von mir machen mit ihm. vielleicht kriege ich das ja mal noch irgendwann die tage. dann könnt ihr euch ein bild von den typen machen. was für eine LEGENDE. und: er ist tatsächlich koreaner. katholisch. der holländer gestern meinte die koreaner*innen seien nicht katholisch sondern würden nur kommen weil sie einen film über den weg geschaut haben, der dort anscheinend sehr populär geworden war. wie die amis also. aber dann lag er etwas falsch. es gibt also anscheinend einen drittel katholiken in korea und einige seien aus religiösen motiven auf dem weg.
in logroño suche ich die herberge vergeblich. irre umher. der koreaner ist weg, er hat seine herbergen durchrerviert auf booking.com bis nach santiago. schade eigentlich, so werden wir uns wohl kaum antreffen bei den städtischen schlafplätzen. es ist 11 uhr. viel zu früh für die herbergen. machen erst um 13 uhr auf. gab auch keine brennende sonne heute. bin also etwas vergebens so früh auf. hätte aber wegen dieser verdammten kirchenglocke eh nicht mehr schlafen können in torres.
nehme ein käffchen in der altstadt und lese mich durch den pilgerführer. auf 12.30 gehe ich dann zurück zur herberge, welche um 13.00 aufmachen sollte. keine schlange. verdächtig. das tor vor mir verschlossen, die schlange ist im innenhof und nicht erreichbar. rede mit einem spanier welcher mir erklärt, dass sie nicht mehr zusätzliche leute reinlassen, weil vermutlich schon alles voll sein wird. bestens. gutes timing habe ich also. toll kann man jetzt neu halblegal auch bei den municipal herbergen reservieren (sollte eigentlich nicht erlaubt sein). und toll öffnen die viel früher als angegeben. die engländerin neben mir wurde richtig ranzig, ich nahm’s relativ gelassen. sitze auf den boden und die italienergruppe läuft auf mich zu inkl. alessia. auch sie waren schon um 11 in der stadt und hatten wie ich noch eine runde gedreht, da zwei stunden warten doch etwas zu viel geduld beansprucht hätte. sitzen also in der gleichen situation. wir checken die optionen und wechseln die herberge. fünf minuten entfernt liegt die kirchliche herberge, die auf spendenbasis funktioniert und um 13 uhr aufmacht. wir kriegen einlass, melde mich fürs gemeinsame abendessen an. der architekt aus süditalien kommt mir entgegen, hatte knieprobleme und habe ihn auf dem weg nach larrasoaña getroffen. mit dabei eine hübsche israelin. wir quatschen im gang. der patron der herberge schickt mich dann aus dem zimmer, ich rede zu laut.
die kirchliche herberge hat nur zwei grosse schlafräume. ein zimmer im erdgeschoss mit vielen eng gestellten hochbetten, total ca. 20 schlafplätze. und im ersten geschoss ein raum, der mehr einem yogastudio gleicht. zwei reihen dünne matten liegen auf dem boden mit den köpfen an die beiden wände geschoben. auch nicht wenige, vielleicht so 16 betten. entscheide mich für das obere spartanische yogastudio. könnte eine laute nacht werden mit so vielen wieder. morgen wird ebenfalls nochmals dicht sein. alle aus logroño hier werden das gleiche etappenziel vornehmen, da nicht vieles dazwischen liegt. muss dann an genügend wasser denken und proviant schon heute einkaufen. sonst zelten und nochmals eine halbe stunde aufs land rauslaufen. wäre gestern nacht bombastisch gewesen. höre diese verdammte kirchenglocke immer noch in meinen ohren.
nun bin ich also schon eine woche unterwegs und merke: der camino fordert mich. die vollen herbergen, die vielen pilgernden unterwegs, der stetige ortswechsel, die langen märsche. das wenige gute vegetarische essen. gestern frei zu machen war gut, aber tut in der gesamtgleichung nicht viel dergleichen. habs heute wieder gut gespürt in den beinen. auf alle fälle wirkt das alles aber sehr erfrisched bisher. lerne immer mehr leute kennen und treffe sie unterwegs auch wieder an. bekanntschaften, die ich mir eigentlich so auch vorgestellt habe: niemand klammert sich an mir fest. ich kann meinen eigenen weg gehen, auch im physischen sinne, kann aber auch die gesellschaft suchen, wenn ich es möchte. was bisher zu kurz kam, war das geschichtliche. das historisch prägende auf dem weg. habe mir vorgestellt dass es mir mehr eindruck machen würde. laufe teilweise an den denkmälern vorbei als wären es einfamilienhäuser aus den 2000ern. nichts besonderes. dabei liegen die dinger seit jahrhunderen, teils über ein ganzes jahrtausend hier. hab mir aber auch kontextmässig nicht den passenden lesestoff besorgt, weiss gar nicht was es da bräuchte um mehr darüber zu erfahren. die spanischen texte in den kathedralen verstehe ich leider zu wenig. die katholische expansion in spanien oder sowas müsste es doch geben als sachbuch. wobei auch die geschichte der römer und maurer eine rolle spielen würde. oder besser gesagt der römer*innen und maurer*innen. die deutschen. sagt man dann die deutsch*innen? oder weil es ein „n“ am schluss hat nicht? heisst aber auch die schwed*innen, die „schweden“ spricht nur die männer an? gendern beginnt kompliziert zu werden im einzelfall.
hab fetten schlafmangel. die letzten tage waren gar nicht gut. augen tun weh, merke es jeweils deutlich am nachmittag. das massiv erhöhte blinzeln durch die müden augen kommt dazu.
sitze auf die grosse plaza vor der grossen kathedrale mit zwei riesigen türmen. alessia, die italienerin von heute morgen, kreuzt meinen weg. irgendwie treffe ich sie immer an den historischen denkmälern an, war schon in pamlona und estella so.
hab langsam richtig lust auf barcelona bekommen. könnte meine stadt werden für die nächsten jahre. müsste nur irgendwie meinen ganzen krempel da rüber bringen. ein zügelunternehemen scheint dazu mächtig teuer zu sein. selber fahren kann ich nicht. muss mit paco und marina drüber reden.
der holländer von gestern haut mich an auf der plaza. trägt wieder sein neonoranges new balance shirt und seine engen sportlerhosen. gestern meinte er, die hosen trage er, weil es die frauen mögen. stupste mich an und lachte dabei laut raus im restaurant. die schwedinnen fanden das nicht so lustig. babyboomer humor. mit den 4kg gepäck hat man dann aber wohl nicht viel auswahl zum umziehen. seine gelfrisur sitzt perfekt. ein läufer. macht langlauf in den schweizer alpen in den ferien und hat zwei söhne in holland. als familienvater alleine in den ferien unterwegs zu sein sieht man nicht alle tage würde ich meinen. er muss dann aber bei burgos zurück meinte er, hat nicht die zeit den ganzen weg zu machen. den jakobsweg als sportliche herausforderung wählen heutzutage nicht wenige. der grosse brasilianer aus larrasoaña hat sich ja in 22 tagen bis zum atlantik durchgeboxt von saint jean aus. würde er nicht mehr machen hat er ja gesagt. dann kommt tony vorbei, setzt sich und bestellt zwei bier. hatte keine möglichkeit um nein zusagen! tony ist wohl über siebzig und kommt aus manchester. witziger typ, hat immer ein riesensmile drauf. farbiges karohemd, sandalen und einen edlen cowboyhut. wir quatschen. der hut! ich bedanke mich und laufe langsam zurück zur herberge, habe wohl noch knapp 30 min bis zum abendessen. dann, kein 50 meter weg vom cafe ein TOLLER hutladen. ich gehe rein, eine kubanerin räumt im laden etwas auf, grüsst mich. wir reden kurz, ich probiere den ersten hut an der mir gefällt. „muuy muuy bien“ sagt sie. klar, dachte ich. sagt ja jede verkäuferin bei jedem wetter. in ihrem augen war aber ein kleines funkeln zu erkennen, ihr kompliment wirkte sehr authentisch! sie war wohl um die vierzig und gefiel mir sehr hier in ihrem laden. und sie wurde sehr charmant, wir hatten eine fliessende konversation auf spanisch und sie lobte meinen sprachschatz. tolles kompliment. ich kaufte also diesen tollen hut und lief weiter zurück zur herberge. brauche mehr schatten um mein gesicht auf den offenen feldern für die nächsten tage. sehr wenig schatten wird es anscheinend geben. und das war noch nicht die meseta. sonst verbrennen noch meine ohren. sehe jetzt aus wie ein richtiger campesino auf safari.
was dann geschah, war die grosse überraschung und der wendepunkt des heutigen tages. hatte eine kleine runde erwartet, dann früh schlafen. ein spanisches pärchen war im oberen stockwerk eifrig das abendessen am vorbereiten. wir nahmen unsere plätze ein, der raum war voll mit ca. 30 leuten, zwei lange tische füllten den raum. durchschnittsalter war super jung, vielleicht so um die 25. der patron macht eine lange ansage und stand dabei am kopf unseres tisches. wir stellen uns alle mit dem namen und unserem herkunftsland vor. es herrscht gleich eine wunderbar familiäre atmosphäre. wir schlagen zu und quatschen und es wurde gar vino und dessert serviert! toll. links von mir eine amerikanerin. typische backpackerin. blondierte strähnen. „oh i‘ve seen so many countries you know“ meinte sie. schön für dich. rechts von mir die israelin. lebte in kanada zeitweise. zeitweise in tel aviv. gegenüber ein koreaner und eine andere amerikanerin. die backpackerin ist auch mit dem zelt hier. ich meinte es war sie, die ich gesehen hatte in estella, fiel mir später auf. nach dem dessert: der patron hält eine weitere lange rede. er öffnet den eingang zu einem geheimen durchgang zur anliegender kirche. werden überwälltigt von einem massiven kirchenschiff. unglaublich grosse halle hier. wir gehen alle zusammen nach vorne zum grosszügigen altar und weiter nach hinten zu den holzsitzen. der patron überreicht uns ein gebetszettel in unserer landessprache und wir nehmen platz. die grösse gruppe den sprachen aufgeteilt kommt aus italien, sie sprechen ein langes gebet auf italienisch vor und ich verstehe kein wort. dann folgt englisch. die israelin muss alleine auf hebräisch vorlesen. ich und die kurlige deutsche mit dem pinken cap lesen auf deutsch einen psalm vor. die deutsche trögt ihr cap auch hier beim gebet! die geht damit wohl direkt in den schlafsack später. nach dem gemeinsamen gebet kriegen wir unseren wohlverdienten stempel für die credencial. es ist der bisher langersehnteste und wohlverdienteste stempel auf dieser reise. ein schönes gefühl hier zu sein.
fange den süditaliener noch auf und wir reden eine zeit im inneren der kirche bevor wir merken dass schon alle gegangen sind. ob wir den eingang zurück zur herberge noch finden? alessia schnappt uns auf und wir finden kurz darauf zurück. ich helfe dem spanischen pärchen darauf noch beim abwasch, probiere mich wieder mit etwas schnellerem spanisch. sie machen das ganze nur 15 tage, ich dachte sie machen das schon seit jahren. irgendwann gehe ich zu bett, die italos sind schon am schlafen