Tag 6: Puente La Reina

heute war richtig hart. der mexikaner unter mir hat geschnarcht, dass man es beim pinkeln 50 meter weiter hinten noch hörte. hab das dümmste bett gekriegt. viel zu wenig geschlafen. um 5 uhr packen alle zusammen, ich ziehe mit. laufe um 6 durch das dunkle pamplona. einige betrunkene männer labern auf mich ein, verstehe sie nicht. hab nur zwei bananen dabei. das gehen ist jetzt schon anstrengend. möchte mir zeit lassen. muss mir zeit lassen. sonst falle ich schon um, bevor die sonne aufgeht. es geht den berg hoch, berg runter, den nächsten berg hoch. nach etwa 2 stunden der erste halt. ein kleiner kiosk. war richtig hart bis hierher. muss auf die toilette aber ist nix offen da sonntag. kaufe mir brot und käse fürs mittagessen. die füsse schmerzen so fest. laufe weiter und das gebiet wird karger. was ist der unterschied zwischen karg und trocken? kann etwas karg, aber nicht trocken sein? die sonne blinzelt über vertrocknete sonnenblumenfelder. irgendwann geht der aufstieg los auf den grossen berg für den heutigen tag. 350 höhenmeter. definitiv 350 zu viel für meine beine. auch der rücken schmerzt. auf dem berggipfel treffe ich auf meinen schnarchenden mexikaner aus mexico city. er gibt mir ein paar datteln. hat er aus saint jean mitgeschleppt. ich erzähle ihm vom halben kilo haferflocken aus saint jean. wir lachen beide. francesco holt mich ein. wir beschliessen zu zelten heute nacht. ich laufe den steilen berg runter. die knie beginnen unglaublich weh zu tun. ich überlege, was ich alles heimschicken könnte und probiere das gewicht auszurechnen, welches ich sparen würde. hinter mir ein pärchen aus montana, kanada (glaube ich). sie lernen eine andere aus montana kennen, erkennen sich durch den dialekt. einer ihrer vier söhne ist ingenieur. sie ist sehr stolz auf ihn. ich denke zurück an das pärchen beim aufstieg auf den berggipfel vor ein paar stunden. sie hatten den gleichen rucksack, den gleichen schlafsack und die gleiche trinkflasche mit einem karabiner genau gleich montiert. liefen nebeneinander und gaben sich abwechselnd händchen, klopften sich gegenseitig auf den hintern und schiessten eine handvoll selfies auf dem aufstieg. pures abenteuer hier, muss man schon festhalten. durch den karabiner hatten sie die flaschen stets griffbereit. alle zehn minuten machten sie einen kurzen halt und tranken die jeweilige flasche von der anderen person. irgendwie süss, irgendwie wirkten sie aber auch sehr verklemmt. durch mein sehr langsames tempo heute hatten sie aber stets vorsprung und ich konnte die szene vor mir beobachten. hätte sie gerne überholt, aber hatte keine kraft.

obanos, ein dorf vor dem geplanten etappenziel, war dann schluss. ich konnte nicht mehr. zog alles ab und aus und ass mein mittagessen. viele wanderer zogen vorbei. würde ich hier mein zelt aufstellen? wäre francesco schon in puente la reina? ich raffe mich mit letzer kraft auf, gehe ein paar schritte. alles schmerzt. alles. ich laufe mit 10 km/h weiter in der glühenden mittagssonne. wir haben september. ich will mir nicht vorstellen, bei 40 grad durch die meseta zu stampfen. das muss die hölle sein. ich versinke in eine tranceartige stimmung. werde ständig überholt, es wollen alle einen schlafplatz. erreiche dann irgendwann puente la reina und die kirchliche herberge. meine güte war das hart. 7 euro und ich darf mein zelt im garten aufstellen. blase meine isomatte auf, ziehe die schuhe aus. erst mal ein paar stunden schlafen.

francesco weckt mich auf. er hat es in die gleiche herberge geschafft. yas! danke fürs wecken. ob paco uns heute wieder abfüllt fragen wir uns und lachen. gehe duschen und streife die einzige strasse entlang, die dieses dorf zu bieten hat. hier sind nur spanier*innen. ich mag die buden nicht, in denen nur die pilgernden mir ihren sportkleider sitzen. ein älterer mann raucht eine zigarette nach der anderen und glotzt die ganze zeit auf mich. es scheint der treffpunkt des dorfes zu sein. ein spanier erscheint und singt laut vor sich hin. ein guter sänger!! er hält sein baguette als luftgitarre, bleibt vor uns stehen und singt lauthalt weiter. die leute aus dem dorf klatschen. es ist sonntagnachmittag. wahnsinn. der verwirrte koreaner läuft kurz später auf mich zu, sagt kurz hallo. er wirkt noch verwirrter als sonst. der typ scheint wie auf LSD zu sein die ganze zeit. scheint sehr zufrieden zu sein aber! nur zwei minuten später die grosse franzosin von josian, weiss den namen nicht. die hat im französischen le puy angefangen. ist also schon über einen monat unterwegs! sie zeltet auch im garten. ich lade sie aufs abendessen ein aber sie möchte lieber alleine sein heute. sie scheint sehr schüchtern, aber eine liebe person zu sein!

laufe zurück zur herberge, will mein zelt aufstellen bevor wir zu abendessen mit den männern. francesco meint, es bräuchte kein zelt, es ist ja gutes wettsr. stimme zu. wir gehen rüber zum restaurant. paco und donovan sind schon dort. ein spanier gesellt sich hinzu. graues v-neck shirt, schwarzes cap verkehrt rum, silberkette um den hals. er hält die ganze zeit seinen vaporizer in der hand. passte irgendwie nicht ganz an den tisch. auch nicht auf den camino. paco erzählt mir, der typ sei ein weltberühmter youtuber. jetzt dreht er vermutlich seine videoepisoden auf dem weg. der camino ist halt auch ganz schön popkultur geworden. verschiedenste formate haben die leute inspiriert. viele amis haben anscheinend den film geschaut, der vor paar jahren rauskam. hab den nicht gesehen bisher. eine hübsche junge italienerin ist noch dabei am tisch, alexia. sie ist superfit, ist immer eine der ersten in den herbergen. und hat nur schwarze kleider an. was lustig ist: sie rollt ihr R im italienischen als wäre es französisch. kommt aus turin. ist ja nicht allzuweit von frankreich weg. wie in zürich etwa ein viertel das R rollt weil es womöglich mischformen aus der ostschweiz drin hat. der europäische sprachraum ist so verrückt. und das baskisch hier in spanien erst! man hat noch nicht rausfinden können, woher die sprachabstammung anscheinend sei, da es nicht aus dem lateinischen oder arabischen kommt.

laufen zurück. wiedermal die letzten. alle schon am schlafen. francesco und ich stellen dann trotzdem das zelt auf, sehen von weitem blitze hoch über den bergen. ich bin todkaputt, mag nicht mehr stehen. und morgen wieder laufen.