ein ruhiger morgen. wieder nach fünf grosses rascheln draussen im flur, die türen knallten laut. heilige scheisse. irgendwann nach sechs stehe ich auf, die deutschen wollten „ausschlafen“ bis sieben. war also der erste der aufstand und fühlte mich dabei wie der neue frühaufsteher. hehe. was sind das für langschläfer hier bei mir im zimmer. morgen stehe ich um 4 auf. nein eigentlich sollte ich vor allem mal schlaf nachholen, kam wohl selten auf mehr als 6 stunden. für mich eigentlich viel zu wenig. aber bisschen wandern und buch lesen geht ja auch deutlich einfacher mit weniger schlaf als vor dem computer mathematische probleme lösen.
packe zusammen. alle weg aus unserem stock, die deutschen sind auch langsam am aufstehen. draussen: eine herrliche stimmung. die grünen hügel der landschaft und das erste orange licht der aufkommenden sonne. es ist sehr kühl in kurzen hosen und tshirt aber geht gut solange man sich bewegt. rund 20 leute unterwegs, man überholt sich abwechselnd während man läuft und kurze trinkpausen einlegt. bin gespannt auf pamplona. im kopf schon fast da, bekommt mich ein immer stärkerer hunger. arres, ein kleines dörfchen, scheint heute markt zu haben. ich betrete eine kleine bäckerei und bastle mir ein frühstück zusammen. eine tasse milch brauche ich für mein müsli. könnte es eigentlich jetzt immer so machen. keine milch mitschleppen sondern eine tasse milch bestellen. halt bisschen teurer aber mein rücken wird mir danken. die drei neuseeländer holen mich ein und lassen sich von meiner idee inspirieren. zürich versteht der eine zuerst als einen ort, wo er in der schule war. ich war verwirrt. „no, ZÜRICH“, weist ihn sein freund hin. achso meinte er. die jungs sind über 60 und haben einen guten zug drauf. sportlich. sehr schnelle schritte. noch eine stunde bis pamplona. das doofe an morgendlichen pausen ist, das einem in den 15min ca. 20-30 pilgerleute einholen. man bekommt dann das gefühl abzuhänken, will mitziehen. laufe weiter gen pamplona. treffe den verwirrten koreaner von gestern. und josian? fehlt jede spur. treffe in pamplona ein um 11 uhr. die erste herberge, geführt von deutschen, öffnet um 13 uhr. ich beschliesse eine runde in der altstadt zu drehen und treffe auf altbekannte gesichter in einer schlange. die herberge hier macht um 12 auf und befindet sich in einer alten kirche. schliesse mich dazu. nach und nach treffen bekannte gesichter ein. der deutsche aus meinem zimmer von gestern. nicht sehr redseelig der typ, sehr ernst drauf. lerne ein paar südamerikaner kennen, die türe zur herberge geht auf, wir beziehen die betten. die hübsche junge belgierin ist meine bettnachbarin, wir haben uns ein paar mal getroffen beim laufen die tage aber noch nicht wirklich kennengelernt. ich konnte mir ihren namen aber nicht merken, zu kompliziert. irgend ein mix zwischen holländisch und belgisch meinte sie. frage später nochmals nach, erst mal raus in die stadt hab sauhunger. die herberge liegt mitten in der altstadt, ich verirre mich in den gassen.
heute morgen ist mir aufgefallen, dass die ortschaft larrasoaña von gestern abend „la-rrasoañ-a“ heisst, „la razon“ (der grund) und „soaña“ (klingt wie sueño, der traum). wurde gestern auch sicher zehn mal nach meinem grund gefragt wieso ich diesen weg machen würde. „taking a break“, war meine gängigste antwort. gewissermassen sicher auch ein „traum“, eine idee die ich schon lange hatte, aber spirituelle oder religiöse absichten habe ich ja nicht, noch möchte ich antworten auf gewisse fragen finden. die amis hier auf dem weg sind sehr religiös unterwegs im gegensatz, die jungen leute eher nicht. ausser der parcelssänger, ich glaube er ist ziemlich religiös. er umgeht heute pamplona und ist uns vorraus, hat kein bock auf die stadt meinte er. kommt aus schweden der typ, junge 21 jahre alt.
in den gassen von pamplona ist unglaublich viel los. es ist siesta zeit, so um die 16 uhr, ich hole mir was zu mittagessen. „vegi“ in spanien heisst einfach ordentlich thunfisch draufpacken, es ist kaum möglich eine fleisch- UND fischlose alternative zu finden. vermisse gutes italienische essen langsam. und thai curry. das traditionelle spanische essen begeistert mich bisher eher mässig, gibt nur fleisch oder fisch. alles andere ist beilage. ich suche mir einen etwas ruhigeren ecken in der altstadt, habe aber kaum eine chance. überall junge spanische männer mit hemd oder poloshirt, kurzhaarfrisur, dreitagebart. die frauen leicht bekleidet und ordentlich am farbkasten bedient. es riecht nach parfüm. ich begreife erst jetzt: wir haben samstagnachmittag. erst dachte ich, diese stadt muss ja verrückt sein. das erklärt jetzt aber wohl einiges.
gerade wollte ich zurück zur herberge meine trinkflasche holen, da treffe ich paco, francesco und doug an. doug ist der mann aus arizona mit dem amazonversand aus roncesvalles. die herbergen der stadt sind alle voll. sie stehen völlig verzweifelt vor dem eingang. paco macht ein paar telefonate, versucht sein netzwerk spielen zu lassen. er beschliesst: er fährt mit dem bus nach roncesvalles, holt sein auto dort, fährt zurück nach pamplona, packt die jungs auf, weiterfahren nach obanos, ein dorf ca. 20km entfernt von pamplona. vielleicht gäbe es dort noch chancen. crazy. ein paar äusserst erschöpfte pilger kommen an. war ich so früh unterwegs? die herberge hat eigentlich platz für 200 leute. aber 14.30 uhr scheint zu spät zu sein. ich trauere mit den männern mit, wir suchen in meinem reiseführer nach herbergsvorschlägen. es ist aussichtslos. unser last minute call: ein airbnb. die dinger kosten um die 300 euro für heute nacht, 70 pro person. zu viel für francesco. paco packt ihn am arm: „mirame! mirame! no te preocupes por el dinero.“ wir verweilen sicher eine stunde vor der herberge. gerade wollte paco los auf den bus, da kommt die bestätigung vom airbnb rein auf dougs handy für eine wohnung für 20 euro pro person. BINGO. 6 min zu fuss von hier. ich gebe francesco meine nummer und wir trennen uns.
in einem café lese ich genüsslich kerkelings buch fertig. wechsle auf tim marshall, etwas geschichte über spanien. sehr spannend. und dann: josian läuft in mich rein! der gute franzose mit dem schnurrbart und dem cowboyhut! er setzt sich zu mir, ich bestelle zwei bier. er ist architekt, wohnt in tolouse. hatte die nase voll. ist ja schon seit 3 wochen unterwegs. ich hab ihn schon fest ins herz geschlossen. er gesteht mir dann aber plötzlich: heute ist sein letzter abend. sein camino ist zu ende. was?? er gehe morgen nach saint jean de luz (irgendwas), nähe biarritz, geht sich das dörfchen anschauen. er will vielleicht dorthin ziehen, als architekt weitermachen. klingt nach einem schönen traum. wir reden über architektur und die hektik des smartphones. bestellen bier nach und ein paar pixtos, die spezialität hier im baskenland. stunden vergehen, die kreuzung, es ist kein platz im eigentlichen sinne, nur eine einfache kreuzung, füllt sich randvoll mit menschen. es herrscht eine unglaubliche feststimmung. habe ich noch nie erlebt. zürich fühlt sich wie eine verklemmte, spiessige, streberhafte, furzlangweilige stadt an. jung und alt stehen hier. kinder schmatzen an ihrem schokoeis, daneben aufgedackelte junge frauen in sehr kurzen hosen. josian und ich crashen ein gruppenfoto einer spanischen grossfamilie und sie lachen alle und packen uns erst recht dazu ins foto. kommen ins gespräch. und dann: los quatros hermanos. francesco, paco, doug und donovan kommen dazu! hier im riesigen pamplona! paco füllt uns regelrecht ab, bestellt bier und wein und irgend ein spanisches sprudelgetränk welches wie prosecco schmeckt. gut geladen meint francesco: der hunger packe ihn. wir laufen einige minuten rüber zur airbnb wohnung. der eingang ist prunkvoll. die wohnung liegt direkt am grossen platz von pamplona. ich trete meine dreckigen füsse auf polierten marmor. teure möbel schmücken die wohnung, selbst das bad ist vollständig in beigen marmor eingekleidet (ist das noch marmor? ich bin mir unsicher). die fenster sind weit offen, wir hören das treiben der strassen unten. paco, el cocinero, bereitet unser dinner vor. es ist simpel. spanisches baguette und eine käse- und fleischplatte. wir haben eine grossartige unterhaltung, fühlen uns wie götter und sitzen erhaben über pamplona. paco wird etwas melancholischer. er möchte ein video machen an seinen sohn und seine ex-frau claudia, wir sollen etwas in unserer landessprache an sie richten. wir improvisieren und werden alle etwas verlegen. wir fühlen uns wie eine kleine familie. er schickt das video ab und meint, es wäre seine art postkarten zu verschicken. paco wird zum clown, erzählt uns er schwöre, er habe drei mal an san fermín teilgenommen, das weltbekannte grosse stadtfest von pamplona in der man zusammen mit wilden stieren um sein leben rennt. dieser mann hat schon so viel erlebt, es ist wahnsinn. ich schaue auf die uhr: 22.58. die herberge macht in zwei minuten die türe zu. ich packe meine sachen und renne durch die gesamte altstadt zurück zur herberge. auf der plaza stehen junge leute schlange, es läuft schlechter tech-house aus der bude. ich schaffe es gerade noch zurück in die herberge. ein glück ist dieses volk auch nicht so pünktlich. das gefällt mir! in der schweiz hätte ich keine chance mehr gehabt. hätte auf dem beigen ledersofa in der marmorwohnung schlafen müssen. beim zähneputzen treffe ich die hübsche belgierin an. sie bleibe noch einen tag hier morgen, schaue sich die stadt an. auch ich möchte demnächst einen pausentag einlegen. bleib die frage wo. meine füsse brennen vom herumlaufen in der stadt heute nachmittag.